Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 315

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Überproduktion und zum Preissturz, was seinerseits sofort die Kartellierung der Produktion hervorruft. Das Weißblechkartell trat eben im November v. J. ins Leben. Wie wenig aber die Unternehmerorganisation eine ausreichende und wirkliche Lösung der Konkurrenzfrage bildet, beweist die folgende Tatsache. Während das amerikanische Weißblechkartell die Einschränkung der Produktion und die Hebung der Preise im Inlande bezweckt, bereitet es gleichzeitig in England durch sehr niedrige Preise der dortigen Weißblechproduktion eine sehr gefährliche Konkurrenz. Der mörderische industrielle Krieg wird also nicht aufgehoben, nicht verhütet, er wird nur übertragen aus einem Lande in ein anderes. Die englische Industrie wird also doppelt geschlagen: Sie hat ihren fremden Absatzmarkt verloren und ist nun auf dem besten Wege, auch den inneren zu verlieren. In der englischen Weißblechindustrie herrscht auch gegenwärtig eine Krisis, ein Teil der Fabriken feiert, die größte sowohl in England wie in der ganzen Welt, die Worcester and Upper Forrest Works in Wales, ist jetzt nach langer Untätigkeit im Auktionswege verkauft worden. Der frühere Besitzer gründet bemerkenswerterweise eine neue Fabrik – in Amerika, bei Pittsburg in Pennsylvania. So wandert das Kapital aus einem Lande in das andere, den besseren Vewertungsbedingungen nach, und die Arbeitsteilung zwischen verschiedenen Ländern, die künftig dem Interesse der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit entsprechen wird, vollzieht sich heute nach Maßgabe des Profitinteresses des Kapitals. Die Arbeiterklasse wird aber durch den bezeichneten Prozeß in zweifacher Weise in Mitleidenschaft gezogen. In den Vereinigten Staaten wird sie durch die Überproduktion und das Kartellwesen ökonomisch wie politisch auf Gnade und Ungnade dem Unternehmertum ausgeliefert. In England ist sie teils durch die Schließung einer Reihe von Fabriken, teils durch technische Umwälzungen in den noch beschäftigten Weißblechfabriken, die durch die amerikanische Konkurrenz zur Einführung neuer Produktionsmethoden gezwungen werden, gegenwärtig massenhaft aufs Pflaster gesetzt. Über die Leiber der Proletarier schreitet in diesem wie in allen Fällen der kapitalistische Entwicklungsprozeß hinweg, ruinierte proletarische Existenzen sind der Dünger, auf dem die herrliche Blüte des kapitalistischen Profits emporblüht.

Aber nicht nur in dieser unmittelbaren Weise kommt die Bedeutung der bezeichneten Vorgänge auf dem Weltmarkt für die Geschichte der Arbeiterklasse zum Ausdruck. Was wir heute vor den Augen haben, ist ein höchst wichtiger Abschnitt in der allgemeinen Geschichte des Kapitalismus. Ein ganzes riesiges Gebiet, erobert für die Herrschaft des Kapi-

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