Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 814

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sächlich am Herzen liegt. Aber das Zentrum dachte damals nicht einmal an die Polen, sondern stellte eine andere Bedingung: daß es der Verdoppelung der Flotte zustimmen werde, wenn die Regierung die Erhöhung der Zölle für Getreide und andere Lebensmittelprodukte verspricht! Das Zentrum zeigte also, daß dieser „katholischen“ Partei nicht die Freiheit des Gewissens und der Nationalität von drei Millionen polnischer Katholiken am Herzen liegt, sondern die Geldsackinteressen von einigen tausend Großgrundbesitzern in Deutschland, denen die Verteuerung der landwirtschaftlichen Produkte durch, Zölle goldene Profite in die Taschen treibt. Daß aber diese Teuerung Tausenden von Vätern und Müttern aus der armen Bevölkerung Tränen über ihr Unglück herauspreßt – solche Dinge beachtet die Zentrumspartei nicht.

In der Tat, wie kann man da an die Freundschaft der Zentrumsleute mit dem polnischen Volk glauben, wie von ihnen eine aufrichtige Verteidigung des bedrückten Polentums erwarten, wenn die Zentrumspartei, besonders in Preußen, hauptsächlich aus Großgrundbesitzern besteht und aus sogenannten Kohlenbaronen, d. h. aus dem Adel und aus Millionären, genauso wie die anderen aufgezählten Parteien, die Konservativen oder die Nationalliberalen. Vom deutschen Adel und den Industriemillionären aber eine Verteidigung des bedrückten polnischen Volkes zu erwarten wäre reiner Wahnsinn. Bekanntlich werden die meisten Zentrumsabgeordneten in Oberschlesien, in der Rheinprovinz und in Westfalen gewählt, d. h. gerade in all jenen Gegenden, wo sich die großen Kohlengruben und Hütten befinden. Diese „katholischen“ Grafen verdienen Millionen an ihren Gruben; und wer arbeitet in ihnen Tag und Nacht, in Finsternis und Stickluft, um den Grafen der Zentrumspartei das Gold zu vermehren? Das arme polnische Volk! In Oberschlesien schuften Hunderttausende von polnischen Berg- und Hüttenarbeitern im Schweiße ihres Angesichts für die Herren Ballestrem, Donnersmarck und andere; in Westfalen und in der Rheinprovinz vegetieren Tausende des polnischen Volkes, die ebenfalls in das Joch der Gruben- und Hüttenarbeit gespannt sind.

Aus der Arbeit, dem Elend und der Benachteiligung dieses polnischen Volkes häufen die katholischen Grafen Millionen an, indem sie dem polnischen Bergmann nur so viel Lohn geben, daß er sich gerade ernähren kann, indem sie ihn in Elend und Schmutz halten, schlimmer als ihre Schweine oder Kühe im Stall. Wie kann man da erwarten, daß diese „katholischen“ Grafen sich des bedrückten polnischen Volkes annehmen könnten, wo sie doch selbst vom Unrecht, das sie diesem Volk antun, leben? Wie sollen diese Zentrumsgrafen dafür sorgen, daß das Kind des polni-

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