Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 793

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Gelegenheit in Parlamenten, Volksversammlungen, in der Presse, in Wort und Tat an den Tag gelegt.

Wenn von uns die Vereinigung mit den bürgerlichen Elementen zu einer gemeinsamen Aktion für den Arbeiterschutz verlangt wird, so handelt es sich dabei offenbar um anderes. Es handelt sich darum, daß erst durch unseren Hinzutritt das bunte Sammelsurium dieser Elemente zu Vertretern bestimmter sozialer Interessen, erst durch die Vereinigung mit uns zu einer gesellschaftlichen Macht gemacht werden soll.

Würde aber die geplante gemeinsame Aktion in derselben Weise geführt werden, wie sie von den Arbeiterparteien ohnehin und seit jeher geführt wird, das heißt als Klassenkampf gegen die Bourgeoisie und bloß als ein Fragment des allgemeinen Emanzipationskampfes des Proletariats, dann würden die bürgerlichen Alliierten nicht nur nicht aus ihrer Bedeutungslosigkeit zu einer Macht emporgehoben, sondern, umgekehrt, zu Anhängseln des proletarischen Klassenkampfes und der ganze Plan der „Vereinigung“ gegenstandslos gemacht werden. Nur dann bekommt die Aktion dieser Elemente, zu der wir eingeladen werden, einen Sinn und Zweck, wenn sie anders denn von uns geführt, wenn sie durch die Vereinigung der Arbeiterschaft mit verschiedenartigsten bürgerlichen Eingängern zu einer „höheren Einheit“ erhoben, aus dem rein proletarischen Klassenkampf in das Stelldichein aller Elemente „mit gutem Willen“ verwandelt, wenn sie sozusagen sozial „neutralisiert“ werden soll. Der ganze Kern der neuesten bürgerlichen Regungen zugunsten des Arbeiterschutzes liegt in der Annahme, nicht, daß bis jetzt seitens der Arbeiterparteien zu wenig für diese Forderung geschehen sei, sondern, daß das Geschehene nicht in der entsprechenden Weise geschehen, daß nämlich die Aufnahme der Forderungen seitens der Bourgeoisie eine ganz andere sein würde, wenn sie statt als ein Programmpunkt des sozialistischen Kampfes vielmehr als eine Forderung der sozialen Fürsorge, als ein Hebel des sozialen Friedens, als politisch neutrale Losung, deshalb unterschiedslos von allen wohlmeinenden Menschen verschiedener Klassen und Parteien aufgestellt wäre. Praktisch bedeutet also die Vereinigung der Sozialisten mit den bürgerlichen Freunden des Arbeiterschutzes zu einer gemeinsamen Aktion vor allem eine Änderung der Kampfweise, die Ausscheidung des Arbeiterschutzes aus dem Bereich der sozialistischen Agitation, das Verlassen des Klassenstandpunktes auf diesem Gebiet.

Die „Neutralität“ des Arbeiterschutzes läßt sich auch nur so lange als Schein aufrechterhalten, als die heterogenen Elemente sich auf die vorbereitenden Besprechungen beschränken. Sobald sie sich aber anschicken,

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