Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 787

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Dichtern und Zeitaltern, einen Stil, geflochten aus urgroßväterlichen Archaismen, professoralen Grandiloquenzen, Ulrich v. Huttenschen Kraftsprüchen und selbstgefertigten orakelhaften Abgeschmacktheiten, endlich als untrügliche psychologische Wirkungsmittel Beschimpfung und Schmeichelei.

Lassalle, derselbe Lassalle, dessen große Gesten der zwerghafte Professor mit seinen kleinen Händchen nachmacht, ist ihm ein riesenhafter Streber, der sich an die Arbeiterklasse klammerte, weil ihn die bürgerlichen Parteien abgewiesen hatten.[1]

Liebknecht – das ist ihm „Hipphipphurrageist“.

Bebel, den Bebel des Hannoverschen Parteitags, der die Losung ausgegeben hat: Es bleibt bei der Expropriation! macht er zuerst in seinen Breslauer Vorträgen in einem auf ihn nur zu deutlich gemünzten Konterfei zum Typus politischer Kinder, „die an das nahe bevorstehende ‚Ende der bürgerlichen Welt‘ glauben“, die „alle Augenblicke davonlaufen, um einmal um die Ecke zu schauen, ob das neue Reich, in dem Milch und Honig fließen, nicht vor der Tür steht“, zum Typus „einer absterbenden Generation sozialer Phantasten“, in deren Kopfe „der Gedanke an eine nahe bevorstehende Ordnung des Wirtschaftslebens ohne kapitalistische Unternehmer“ fortspukt, die das „Ende der Welt“ immer wieder für einen bestimmten Tag prophezeien.

Auf denselben Bebel aber, nachdem Herr Sombart dessen Rede über die Gewerkschaften und Politik für seine „realistische Methode“ ausnutzen zu können glaubt, läßt er im Anhang zu seinen Vorträgen bei deren Drucklegung noch in letzter Stunde folgende Tracht von Lobsprüchen niederrasseln:

Er gehöre zu den „großen Führern, die ihr Ansehn keineswegs nur der Schärfe ihrer Logik, sondern in höherem Maße der Feinfühligkeit verdanken, mit der sie die intimsten Regungen der Volksseele ... zu belauschen verstehen“, die „ihre Ansichten wandeln, wie sich die Strebungen der Masse“ (sogar den proletarischen Klassenkampf kann sich der Herr Professor nicht anders als ein riesiges Massenstrebertum vorstellen!) verändern, und in deren „Wandlungsfähigkeit... ihre Volkstümlichkeit im besten Sinne zum Ausdruck“ kommt; er, Bebel, habe in „jedem Augenblicke mit feinem Instinkte“ herausgefühlt, welche „Wünsche und Gedanken“ die Masse hatte, er sei „die Diagonale zwischen den verschiedenen Strömungen und Richtungen in der Sozialdemokratie“ usw. Und nachdem er so Bebel als eine politische Wetterfahne gezeichnet hat, erdrückt er ihn noch direkt unter einem Platzregen von persönlichen Schmeicheleien: „my-

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[1] Siehe W. Sombart: Sozialismus und soziale Bewegung, 3. Auflage, S. 46.