Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 786

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/786

Breslauer Professors. Franz Mehring, der seinen Professor gleich bei dessen ersten Schritten durchschaute und ihm frühzeitig auf die Finger klopfte, sollte wieder einmal recht behalten. Herr Sombart warf sich neben seinen Kollegen in den Strom politischer „Strebungen“ und endete, wo die anderen Professoren beginnen: mit der Bekämpfung des Marxismus.

Die Wandlung vollzog sich ebenso rasch wie gründlich. Früher bewies Herr Sombart zwar zum Schrecken seiner liberalen Kollegen, Deutschland entwickle sich nicht vom Importstaat zum Exportstaat, sondern umgekehrt, womit er nebenbei die erwünschte Argumentation für Schutzzöllner lieferte. Nun ficht er in Reih und Glied mit den Kollegen für die große deutsche Flotte, die „zum Schutze des deutschen Exports“ erfunden wurde.

Früher versicherte er die „soziale Bewegung“ der Arbeiterklasse gegen Reaktion und Ausbeutung seiner wärmsten Sympathie, nun vertritt er Arm in Arm mit den Herren Wenckstern und Levy die weltpolitische Reaktion und weltpolitische Schröpfung der Arbeiter.

Früher wollte er die europäischen Kulturinteressen gegen asiatische Barbarei schützen, nun verteidigt er die Barbarei des weltpolitischen Chauvinismus gegen die europäische und asiatische Kultur.

Früher nahm er die Marxsche Lehre gegen ihre alte Feindin, die offizielle „deutsche Wissenschaft“, in Schutz, nun tritt er im Namen dieser „deutschen Wissenschaft“ gegen den Marxismus auf.

In seinem „Sozialismus und soziale Bewegung“ erklärt Herr Sombart den Eintritt Lassalles in die Arbeiterbewegung damit, daß sein „titanischer“, „dämonischer“ Ehrgeiz durchaus seinen Weg „in die Gefilde der Politik“ hatte finden müssen, „dorthin, wohin alle ehrgeizigen Menschen, wenn sie nicht Feldherren oder Künstler sein können, in unserer Zeit notwendig gelangen müssen“.

Was Herrn Sombart selbst betrifft, so hätte er unseres Erachtens ebensogut Künstler, z. B. Seiltänzer, oder, nach seinem Marineenthusiasmus zu urteilen, auch ein Flottenadmiral werden können. Allein, sein Ehrgeiz war offenbar noch titanischer und dämonischer als derjenige von Lassalle. Er hat es vorgezogen, sowohl die Seiltänzerei wie den Flottenenthusiasmus „in die Gefilde der Politik“ zu tragen.

Er tritt in die Schranken selbstbewußt, sicher, ausgerüstet mit dem ganzen Wissen und allen Finessen des Jahrhunderts : Er hat die sozialen Harmonien von Schulze-Delitzsch, Schulze-Gävernitz und anderen vulgären Schultzen, die historische Methode von Roscher, die englische Borniertheit von den Webbs, die großen Gebärden von Lassalle, die Selbstüberhebung von Julian Schmidt, einen Zitatensack aus allen Sprachen,

Nächste Seite »