Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 785

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und begnügte sich fortab damit, die bürgerliche Jugend gegen festes Gehalt für den preußisch-deutschen Staatsdienst entsprechend gescheit zu machen.

Und ein Jahrzehnt lang hatte die Arbeiterbewegung von der „deutschen Wissenschaft“ wenig zu hören.

Die bürgerliche Klasse hatte endgültig die Hoffnung aufgegeben, mit der Sozialdemokratie fertig zu werden, sie hatte den Glauben an ihre beiden Knechte, an den Arm des Büttels, noch mehr aber an den Kopf des Professors, verloren.

Nun tritt aber die Periode des wirtschaftlichen Aufschwunges und in ihrem Gefolge die Ara der Weltpolitik ein. Neue Horizonte eröffnen sich vor der Bourgeoisie. Die mehrjährige Dauer der Prosperität, der aus den Rüstungen der Weltpolitik und ihren Eroberungen winkende neue Goldregen von Profiten lassen das Herz der bereits in Mißmut versunkenen bürgerlichen Welt höher schlagen.

Zur Weltpolitik, zur „nationalen“ Politik braucht sie aber die Mitwirkung der Volksmassen. Andererseits glaubt sie in den Verheißungen des industriellen Aufschwunges einen neuen Köder für die Arbeiterklasse zu besitzen. So will sie noch einmal frischen Mutes die Eroberung des Arbeitervolkes versuchen. Und wieder ertönt das Kommando: Gelehrte, an die Arbeit! Die in ihren Kabinetten eingetrockneten professoralen Mumien kommen eine nach der anderen ans Tageslicht, eilen in die Volksversammlungen und singen gehorsamst das Versuchungslied der Delila bürgerliche Weltpolitik vor dem Simson-Proletariat.

Aber allen voraus tänzelt mit leichtem Schritte und feiner Gebärde der jugendfrische, hoffnungsvolle, vom Scheitel bis zur Zehe moderne Herr außerordentliche Professor Werner Sombart. Er weiß sich im Besitz der „richtigen“, „realistischen“, „historischen“ Methode, mit der er an dem starrköpfigen Proletariat Wunder wirken wird, und im Besitz eines Talismans, der ihn zum berufensten „weltpolitischen“ Professor macht: der „Wandlungsfähigkeit“. Herr Werner Sombart hat sich diese von ihm so hockgeschätzte Fähigkeit durch systematische Übung angeeignet. Erst war er ein gelehriger Schüler Marx`, und der alte, so wenig durch das deutsche Professorentum verwöhnte Engels hat ihm sogar einige ermunternde Worte des Lobes gespendet. „Das macht“, schließt Herr Sombart seinen Engels-Nachruf, „er war ein guter Mensch.“

Damals überließ Professor Sombart die Widerlegung der Marxschen Lehre „dem politischen Streber“. Die weltpolitische Ara knickte aber nebst mancher zarten Knospe auch die wissenschaftliche Vorurteilslosigkeit des

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