Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 788

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stische Verehrung“, „grenzenloses Vertrauen“ der Masse, „warmes Herz“, „lauterster Charakter“, „persönliche Liebenswürdigkeit“, „Frische und Lebendigkeit“, „Feuergeist“, „Ehrlichkeit“, ganz ähnlich dem alten Engels in der „Wandlungsfähigkeit“ und zugleich ganz ähnlich – dem alten Bismarck in der Fähigkeit, die Hoffnungen und Strebungen der Masse zu verkörpern! Herr Sombart hat nur vergessen, daß er gerade bei Bebel mit seinem grandiosen Aufwand von Schmeicheleien Gefahr läuft, eine ganz unerwartete Aufnahme zu finden, denn es war doch kein anderer als Bebel, der den Grundsatz aufgestellt hat: Wenn mich die Gegner loben, so muß ich mich sofort fragen, ob ich nicht eine Dummheit gemacht habe.

Nach den. Führern kommen aber auch kleinere Leute an die Reihe, um abwechselnd beschimpft und geliebkost zu werden. Da sind zuerst „Männer wie von Elm, Legien, Segitz, Millarg, Timm, Döblin, Poersch und viele andere“, die „neue Generation der Offiziere unserer Gewerkschaften, denen sich eine entsprechende Schar gleichstrebender (o, dieses „Streben!“ Überall das „Streben“, Herr Professor!) Unteroffiziere anreiht“. „Diese Männer“ sind ein „neuer Typus“ von „berufsmäßigen Gewerkschaftlern“, bei denen „die eigentümlichen Fähigkeiten und Kenntnisse“ „zu voller Reife“ entwickelt sind, in ihnen regt sich „ein neuer Geist“, eine „eigene Seele“, diese „tüchtigen Männer“ schaffen einen neuen Glauben etc. etc.

Anders aber als diese „Offiziere“, die Herr Sombart zu Gewerkschaftlern nach seinem Ideal umgewandelt hat, werden unsere politischen Agitatoren aus Arbeiterkreisen behandelt. Von ihnen will der Herr Professor nichts wissen: „Von den seichten, hirnlosen Schwätzern, die jetzt noch in der Presse, in Volksversammlungen und Vereinen vielfach den Ton angeben, von jenen faulen Kerls, die zu nichts gut sind, als ein paar auswendig gelernte, unverstandene Phrasen aus der Parteiliteratur papageienmäßig nachzuplappern oder stiermäßig in die Menge hineinzubrüllen, die zu jeder Arbeit außer der ‚Parteiagitation‘ verdorben sind, ... von diesen Zerrbildern politischer Agitatoren“ will Herr Professor Sombart die deutsche Arbeiterklasse befreien (S. 91). [Hervorhebungen – R. L.]

In dem „Sozialismus und soziale Bewegung“ wehklagte Herr Sombart bitter über den Verfall der guten Sitten und feinen Manieren in unserem Klassenkampf. „Schon ganz äußerlich die Tonart der Meinungsäußerung, wie abstoßend, wie verletzend, wie roh ist sie nur allzu oft! Und muß das sein?“[1]

Diese Worte waren uns, als wir sie lasen, direkt aus dem Herzen gesprochen. Lange schon schmerzte uns die Verrohung des Tones und der

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[1] Werner Sombart: Sozialismus und soziale Bewegung im 19. Jahrhundert, Jena 1900, S. 99.