Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 772

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Diese verfährt bekanntlich anders als die dialektische Kritik; sie verwirft die von der klassischen Ökonomie aufgestellten „Naturgesetze“ mit der größten Süffisance als altes Gewäsch, beseitigt aber damit überhaupt jede gesetzmäßige Erklärung der kapitalistischen Wirtschaft und proklamiert das Reich des „freien Willens“, des „bewußten Eingreifens in die sozialen Vorgänge“, der „Macht“ der sozialen Gruppen.

Freilich verschwinden durch diesen „Machtspruch“ der Wissenschaft in Wirklichkeit die objektiven Gesetze der kapitalistischen Gesellschaft, d. h. die in ihr wirkenden und treibenden Widersprüche, nicht im geringsten. Aber diese Widersprüche selbst werden nun als Zufälligkeiten, als kleine Rechenfehler, kleine „Unvollkommenheiten“ hingestellt, die durch ein wenig redlichen Willen und Witz, durch ein gutes Wort hier, eine kleine Nachsicht dort, „ausgeglichen“ werden können. Nachdem Herr Sombart den Arbeitern einmal die herrliche Perspektive einer schrankenlosen Steigerungsfähigkeit der Löhne eröffnet hat, hat er alle Hände voll zu tun, um sein professorales Wort einzulösen und dabei aus der Zwickmühle der kapitalistischen Gegensätze herauszukommen. Die Lohnsteigerung wälzt er, wie wir gesehen, auf den Profit ab, den Profitverlust weiter auf den Konsumenten, dem Konsumenten redet er, da er seine Abwälzungskunst erschöpft hat, ins Gewissen und stellt sich ihn, um sich den Erfolg leichter zu machen, von vornherein als ein junges und bereits verlobtes Mädchen vor. Am Ende kann ihm auf diese Weise noch die Pflicht zufallen, um die gewerkschaftlichen Erfolge nach seinem Rezept zu sichern, für jedes reiche Mädchen einen passenden Bräutigam zu finden.

Doch fürchten wir, selbst das wäre verlorene Mühe. Denn kaum hat Herr Sombart die, um im Stile des Herrn Professors zu sprechen, „In-Beziehung-Setzung“ und das „Sich-tatsächlich-decken“ von Dingen, die sich weder aufeinander beziehen noch sich tatsächlich decken, fertiggebracht, als sein Flickwerk durch „hier nicht näher darzulegende Verumstandungen“ wieder an allen Ecken und Enden aus dem Leime geht.

Der Unternehmer soll die von der gewerkschaftlichen Aktion durchgesetzte Lohnerhöhung mit einem Preisaufschlag auf seine Waren decken.

Meint aber der Herr Professor, daß die Warenpreise so mir nichts dir

nichts erhöht werden können, so hat er alle „Wesenheiten“ der Preisbildung vergessen. Ist der Preisaufschlag ein allgemeiner, dann hebt er sich in seiner Wirkung selbst auf. Erhöht aber ein einzelner Unternehmer seine Preise, dann wird ihn die Konkurrenz seiner Herren Kollegen in sehr kurzer Zeit Mores lehren. Allerdings können auch einzelne Unternehmergruppen willkürlich die Preise steigern, dies aber nur, wenn sie dem Publikum

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