Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 770

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/770

Wenn es nur nicht unter die Walkmühlen gerät, wie weiland die Galeere des anderen tapferen Ritters von der Mancha.

Wenn die klassische Schule der Nationalökonomie die Bewegung des Lohnes auf naturgesetzliche Erscheinungen, auf das Bevölkerungsgesetz und die absolute Größe des Produktionskapitals zurückführte, so verfuhr sie dabei nur konsequent nach ihrer Grundmethode: die Schranken der bürgerlichen Gesellschaft mit gesellschaftlichen Naturschranken zu identifizieren. Und die historisch-dialektische Kritik der klassischen Nationalökonomie – die von Marx gelöste Aufgabe – bestand hier wie meistens in der Rückübersetzung der „Naturgesetze“ in Entwicklungsgesetze der kapitalistischen Gesellschaft.

Die ganze kapitalistische Wirtschaft, also vor allem auch der Ankauf der Arbeitskraft, hat zum Zwecke: die Produktion von Profit. Die bestimmte Profitrate als Zweck der Produktion geht also der Mietung von Arbeitern als Gegebenes voraus und bildet zugleich im Durchschnitt die oberste Schranke, bis zu der die Löhne steigen können. Dem Profit wohnt aber auch die Tendenz inne, sich auf Kosten des Arbeitslohns schrankenlos auszudehnen, d. h., ihn auf das nackte Existenzminimum zu reduzieren. Zwischen diesen äußersten Punkten bewegt sich der Lohn hinauf oder herunter, je nach dem Verhältnis des Angebots zur Nachfrage, d. h. der disponiblen Arbeitskräfte zur Größe des produktionslustigen Kapitals.

Aber in der entwickelten kapitalistischen Gesellschaft stellt sich das Angebot als industrielle Reservearmee, d. h. eine stets vorrätige Menge Arbeitskräfte, dar, die durch dasselbe Kapital „frei“ gemacht wurden. Und die Nachfrage ist nichts anderes als diejenige Portion des Kapitals, die bei einer bestimmten Profitrate von der gegebenen Lage auf dem Warenmarkt zur Produktion „ermuntert“ wird.

Man sieht, sowohl die durchschnittliche äußerste Grenze der Lohnsteigerung wie ihre höhere oder niedrigere Stufe werden von Faktoren bestimmt, die alle in letzter Linie auf dasselbe, auf die Profitinteressen oder, wie Marx sagt, auf das „Verwertungsbedürfnis“ des Kapitals, hinauslaufen.

Sind die Gewerkschaften imstande, sich über diese Schranken des Lohngesetzes hinwegzusetzen? „Naturgesetzlich“ sind diese Schranken allerdings nicht, das hat Herr Sombart richtig von Marx gelernt. Allein innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft wirken sie mit der ganzen Fatalität des Naturgesetzes, weil sie die Natur, das Gesetz selbst des Kapitalismus sind.

Könnten die Gewerkschaften z. B. den Unternehmerprofit als äußerste Grenze der Lohnsteigerung durchbrechen, so hieße das, den heutigen Zweck

Nächste Seite »