Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 756

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findlicher die Niederlage. Dies gießt aber in den Siegesbecher des Zentrums, den es bereits nach der Bewilligung der Flotte in der Kommission als neukreierte Regierungspartei stolz erhob, einen recht bitteren Tropfen Wermut. Es stellt sich nämlich heraus, daß die Partei des politischen Gaukelspiels und des systematischen Umfalls diesmal den Handel zu früh geschlossen, daß sie den allerletzten Rest ihres oppositionell-demokratischen Erstgeburtsrechtes veräußert, bevor sie sich noch des Linsengerichts der reaktionären Herrschaft vergewissert, daß sie die Livrée als Regierungspartei angezogen, bevor sie noch den Befähigungsnachweis als herrschende Partei abgelegt hatte.

In so äußerlich und künstlich zusammengekitteten Parteien, wie es das Zentrum ist, bildet, sobald die prinzipielle Politik beiseite gelegt wird, der Erfolg einen sehr wichtigen Faktor. Je dringender die Zentrumsfraktion für ihre Anhängerschaft im Lande eines deutlichen Beweises ihrer politischen Macht, eines eklatanten parlamentarischen Sieges zur Rechtfertigung der Flottenbewilligung bedurfte, um so tiefer die Wirkung der nun erlittenen Niederlage auf die Zentrumsmassen. Als ein günstiger Moment in der bevorstehenden Hauptagitation der Sozialdemokratie gegen die Flottenvorlage von Zentrums Gnaden ist dieses Ergebnis durchaus nicht zu unterschätzen.

Eine weitere Folge, die bereits in der Zentrumspresse, namentlich in den Organen der Fraktion, deutlich herauszulesen ist, ist ein weiterer Ruck nach rechts, eine noch größere Annäherung an die Reaktionsparteien. Bereits droht die „Kölnische Volkszeitung“ dem obstruierenden Freisinn damit, bei den künftigen Wahlen werde das Zentrum den Rebellen seine Unterstützung versagen und dafür eine Allianz mit den Konservativen schließen. Der ganzen Lage nach darf man hierin keineswegs lediglich einen momentanen Erguß des Ärgers erblicken. Was hier der Ärger in die Feder diktiert, ist vielmehr der natürliche Weg, auf den das Zentrum durch die mit eigenen Händen geschaffene Situation gebieterisch gewiesen wird. Herrschaft um jeden Preis – durch die Allianz mit den Konservativen, wenn es aus eigener Kraft noch nicht geht –, so heißt nunmehr die „Ehrensache“ des Zentrums.

Kurz gefaßt, sind die Ergebnisse des Kampfes um die Lex Heinze: Erschütterung des Prestiges des Zentrums in den ihm huldigenden Volkskreisen, Hinausschiebung der von ihm angestrebten Herrschaftsstellung, Beschleunigung seiner offenen Allianz mit der politischen Reaktion.

Mit diesen Resultaten ihrer Obstruktionskampagne kann die Sozialdemokratie vollauf zufrieden sein. Jedoch die sozialdemokratische Taktik

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