Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 733

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Schüllers bildet, ist zweifellos sehr sympathisch, als ein Wunsch, in die Stickluft der heutigen deutschen Nationalökonomie einen frischen Zug zu bringen. Allein Dr. Schüller zeigt durch seinen Rat wieder einmal, daß ihm durch die Betrachtung der ökonomischen Schulfragen außer Zusammenhang mit der jedesmaligen sozialen Grundlage das Verständnis sowohl für das Wesen der von ihm bewunderten klassischen Schule wie für die heutigen Aufgaben der Wirtschaftslehre entgeht.

Dr. Schüller führt die Größe der klassischen Ökonomie auf ihre deduktive Methode, auf die prinzipielle Behandlung der Wirtschaftsprobleme zurück. Aber die deduktive Methode, abstrakt genommen, ist ein rein formaler Schulbegriff, der noch gar nichts über das Wesen der von der Smithschen Schule geübten Forschungsweise besagt. Wenn es bloß auf das „Hineintragen von allgemeinen vorgefaßten Prinzipien in die Forschung“ ankäme, dann dürften sich neben den klassischen Volkswirten noch manche andere sehen lassen. Hießen die deduktiven Grundsätze von Smith und Ricardo, wie Dr. Schüller sie formuliert, Gewerbefreiheit, Freizügigkeit, Handelsfreiheit, so waren die Adam Müllers und Hallers Patrimonialgerichtsbarkeit, Leibeigenschaft, Patriarchalstaat etc. Als Deduktionen, methodologisch, sind sie gleichwertig. Hat doch niemand seinerzeit so wuchtige Schläge gegen die Prinzipienlosigkeit der historischen Schule gerichtet, niemand mit solchem Pathos die Notwendigkeit „ewiger Gesetze“ als Ausgangspunkt der wirtschaftlichen Analyse gepredigt wie gerade die romantische Schule.

Wenn also die deduktive Methode der klassischen Ökonomie zu der tiefen Erkenntnis der bürgerlichen Wirtschaft führte, während die romantischen Deduktionen Haller-Müllers bloß zu großem Ansehen ihrer Träger bei dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm IV. und bei Metternich, so liegt das offenbar daran, daß allein die klassisch-liberalen Deduktionen der damaligen gesellschaftlichen Entwicklung, daß sie dem Wesen der bürgerlichen Ökonomik entsprachen.

Aber weil die allgemeinen Grundlagen der bürgerlichen Wirtschaft den Ad. Smith und Ricardo zu absoluten „Prinzipien“ ihrer Forschung wurden, so kommt darin noch eine andere Tatsache zum Ausdruck, nämlich die Tatsache, daß den Klassikern die moderne Warenwirtschaft als die absolute, als die normal menschliche galt. Und dies war der eigentliche Grundsatz, von dem sie ausgingen, dies war das eigentliche Geheimnis ihrer wundertätigen deduktiven Methode.

Es war nämlich dieser unbeschränkte und völlig ungetrübte Glaube an das normal Menschliche, sozusagen an das Naturrecht der kapitalistischen

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