Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 730

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/730

Aber gerade darin lag auch der Grund, weshalb diese Theorien bald zu einer Opposition führen mußten. Nicht aus einer kräftigen bürgerlichen Bewegung, nicht aus der Gesellschaft selbst heraus rührten die fortschrittlichen Reformen Stein-Hardenbergs her. Sie wurden vielmehr den regierenden Kreisen durch die französischen Schläge entlockt und von diesen Kreisen der Gesellschaft einfach oktroyiert. Sie riefen denn auch bald eine Opposition in zwei Lagern hervor: einerseits von seiten des feudalen Junkertums, dem es um die Rettung der Leibeigenschaft zu tun war, und andererseits von jenen Elementen des Mittelstandes, die durch die neuzeitlichen Reformen zunächst in ihren Interessen sich bedroht sahen, hauptsächlich von dem damals noch starken Handwerkerstand, der ebenso durch die Aufhebung der Zunftordnung wie durch die von der liberalen Handelspolitik begünstigte englische Einfuhr schwer geschädigt wurde.

Im ersten Falle äußert sich die Opposition in der reaktionär-romantischen Richtung Haller-Müllers, im letzten – in der älteren historischen Schule von Soden, Luden, Cölln u. a. Zieht man in Betracht, welcher Natur in beiden Fällen die soziale Grundlage war, aus der die beiden ökonomischen Richtungen hervorgegangen sind, die sich gegen die klassische Schule auflehnten, so wird auch ihr verschiedener theoretischer Charakter leicht erklärlich.

Die rebellischen Junker, deren Protest gegen die Inaugurierung der bürgerlichen Entwicklung in der romantischen Schule Hallers seinen Ausdruck fand, setzten den von ihnen kritisierten Reformen ein ganz bestimmtes konsequentes „Ideal“ entgegen: den mittelalterlichen Feudalismus. Ebenso klar, konsequent und kräftig wie die Metternichsche Reaktion, wie die Ära der Heiligen Allianz, war der theoretische Niederschlag dieser Politik: die ökonomische Theorie der romantischen Schule. Sie ging von bestimmten festen „Prinzipien“, nämlich von den Prinzipien der feudalen Naturalwirtschaft, aus, die sie auch folgerichtig auf alle Fragen der Wirtschaftspolitik anwandte.

Anders war es um das zweite oppositionelle Lager bestellt. War die Schicht des zünftigen Mittelstandes, der Handwerksmeister und Krämer, in ihrer Existenz durch die Neuerungen bedroht, so konnte sie doch andererseits unmöglich die Zeiten der ungeteilten Herrschaft des Feudalismus zurücksehnen, deren eiserner Druck ihr gleichfalls blutige Wunden zurückgelassen hatte. Ein bestimmtes positives wirtschaftspolitisches Programm vermochten diese Elemente ebensowenig aufzustellen, wie sie selbst ein geschlossenes soziales Ganzes darstellten. Schwankend zwischen neuzeitlicher bürgerlicher Entwicklung und feudalen Überlieferungen, die Schä-

Nächste Seite »