Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 693

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row genoß, daß zum Redakteur dieses Organs der terroristischen Partei als etwas Selbstverständliches Lawrow gewählt wurde – er, der bisher eine ganz andere Taktik propagierte.

Es mochte den ehrlichen, feinfühlenden Denker und Menschenfreund eine Selbstüberwindung gekostet haben, sich an die Spitze eines rücksichtslosen gewaltsamen Kampfes zu stellen, der von seinen Begriffen so verschieden war. Gleichwohl, er tat es. Der Dienst an der revolutionären Sache ging ihm über alles, und niemals konnte Peter Lawrow nein sagen, wenn die Sache ihn rief.

Mit größter Hingebung leitete Lawrow das Organ der „Narodnaja Wolja“ bis 1887. Daß das sozialistische Programm dieser Zeitschrift angesichts der Verhältnisse, aus denen es geboren war, nicht einheitlich und im deutschen Sinne sozialdemokratisch sein konnte, versteht sich von selbst. Sein überwiegender Zug ist der Glaube an die Eigentümlichkeit der russischen sozialen Verhältnisse und an die Obschtschina (die kommunistische Landgemeinde) als den Ansatzpunkt für die sozialistische Umwälzung. Aber, nicht das Programm war die Hauptsache an der Zeitschrift, sondern die getreue Widerspiegelung des in Rußland vor sich gehenden Kampfes und die Hochhaltung seiner stolzen Standarte. Und diesen Aufgaben ist der „Westnik“ unter Lawrows Leitung vollauf gerecht geworden.

Aber seit der Mitte der achtziger Jahre beginnt allmählich die terroristische Bewegung zu ebben, neue Strömungen, getragen von einer neuen Generation, kommen allmählich, erst schüchtern, dann immer kräftiger und selbstbewußter, an die Oberfläche. Und hier beginnt das tragische Schicksal im Leben Peter Lawrows.

An die neue, sozialdemokratische Periode des russischen Sozialismus konnte sich Lawrow nicht mehr anpassen. Mit der ganzen Seele hat er sich der Partei der „Narodnaja Wolja“ ergeben, und ihren unvermeidlichen Niedergang vermochte er nie zu fassen, an ihn nie zu glauben. Stets hoffte er trotz aller Enttäuschungen, die Sonne für den ihm lieb gewordenen Kampf würde doch wiederkommen.

Die lebhaften Diskussionen über das Programm, die mit der Mitte der achtziger Jahre anhuben, waren ihm unverständlich und schmerzlich. Den Kampf wollte er wieder sehen, einen Kampf aller Sozialisten gegen die herrschenden Gewalten und nicht den Kampf der Sozialisten untereinander. Zwiespalt und Reibungen unter Genossen – das widersprach seinen Prinzipien. Und niemals wollte er sich daran beteiligen. Mochte die geistige Herrschaft seiner geliebten „Narodnaja Wolja“ unter den wuchtigen

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