Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 634

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würde. Aus diesem Grunde ist die gewerkschaftliche Bewegung, will anders sie dauernden Erfolg haben, grundsätzlich auf internationale Entwicklung hingewiesen.“

Darum wendet Kulemann den internationalen gewerkschaftlichen Verbindungen die größte Aufmerksamkeit zu und liefert zu diesem bis jetzt so mangelhaft bekannten und literarisch fast gar nicht behandelten Kapitel der Gewerkschaftsbewegung die Schilderung von 23 international organisierten Gewerken.

Ferner steht der Verfasser auch gegenüber der Organisation der Handelsangestellten und der Beamten auf modernem Standpunkt, indem er offen erklärt: „Sie (staatliche und private Beamte) befinden sich nicht allein in abhängiger Stellung, sondern diese unterscheidet sich auch meist nicht wesentlich von derjenigen des Arbeiters, insbesondere ist sie regelmäßig weder eine dauernd gesicherte noch hinsichtlich der Leistungen und Gegenleistungen fest bestimmte, so daß für die Verteidigung der Interessen der Mitglieder gegenüber denen der Arbeitgeber volle Veranlassung gegeben ist.“ Auch sind in dem vorliegenden Werk zum erstenmal ebenso die Organisationen der Post- und Eisenbahnbeamten wie der Handelsangestellten eingehend und zusammenhängend behandelt worden. Interessant ist auch die schroffe Beurteilung der neuesten Husarenpolitik Podbielskis dem Postassistentenverbande gegenüber[1] ebenso wie die Kritik der Nachgiebigkeit des Assistentenverbandes. „Offenbar ist es der Geist des patriarchalischen Bürokratismus, der aus dieser Auffassung spricht und sich in den schärfsten Gegensatz stellt zu der modernen Anschauung, daß auch der Beamte Staatsbürger ist und alle Rechte desselben ausüben darf, soweit er nicht zu den Pflichten seines Amtes in Widerspruch tritt. Diese Pflichten verbieten ihm aber nicht, Wünsche auf Verbesserung seiner Lage auf gesetzlichem Wege geltend zu machen, und der Umstand, daß die Beamten dies gemeinsam tun, kann die an sich berechtigte Handlungsweise nicht zu einer unberechtigten machen. Jedenfalls hat der Postassistentenverband durch seinen jüngsten Schritt seinen gewerkschaftlichen Charakter im wesentlichen verloren und damit auch das hohe sozialpolitische Interesse, das er vorher verdiente.“[2]

Eine ganz besondere Bedeutung beansprucht der letzte Teil des Kulemannschen Buches, worin er die Unternehmerverbände, sowohl diejenigen,

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[1] Der Staatssekretär des Reichspostamtes Victor von Podbielski hatte durch Verfügungen vom September 1898 und vom Mai 1899 eine gewerkschaftliche Betätigung der Postangestellten unmöglich gemacht, woraufhin die Mitglieder des Verbandes beschlossen, die Organisation aufzulösen.

[2] l. c., S. 326. [Fußnote im Original]