Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 571

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mus und dieser ist fertig! Man vergißt nur, daß, wie Engels gesagt hat, wenn man auch die Kleiderbürste unter die Säugetiere klassifiziert, sie noch lange keine Milchdrüsen bekommt. (Heiterkeit. Zuruf: „Das ist aber sehr wahr!“)

Noch eine Bemerkung über die sogenannte Zusammenbruchstheorie. Natürlich, wenn wir alles, was wir heute schon machen, Sozialismus nennen, wäre es ja völlig überflüssig, noch einen Zusammenbruch herbeizuführen. Aber die Genossen, die eine so verrückte Auffassung (Fendrich ruft: „Würde!“ – Glocke des Präsidenten.) – verzeihen Sie, ich habe es nicht beleidigend gemeint, „verkehrte“ wollte ich sagen. Die Genossen, die eine so verkehrte Auffassung vom Sozialismus haben, fassen die Evolutionstheorie nur so auf, daß sie eine kleine Korrektur an der dialektischen Geschichtsauffassung vornehmen und die Geschichte ist wieder sehr glatt und hübsch gelöst. Aus der Evolutionstheorie, wie sie Marx und Engels auffassen, scheiden sie den Begriff der Zusammenbrüche, der sozialen Katastrophen, und bekommen auf diese Weise einen sehr angenehmen Begriff von der Evolution, wie sie ein Herr Brentano auffaßt. Wenn wir aus der Geschichte lernen wollen, so sehen wir, daß alle bisherigen Klassenkämpfe nur in der Weise verlaufen sind, daß die aufstrebende Klasse im Schoße der alten Gesellschaft durch kleine Fortschritte, gesetzliche Reformen, allmählich immer mehr erstarkte und wuchs, bis sie sich stark genug fühlte, die alten Fesseln abzustreifen, durch eine soziale und politische Katastrophe. Dazu waren sie genötigt, trotzdem sie bereits im Schoße der alten herrschenden Klasse bis zur höchsten Potenz ihre wirtschaftliche Macht entwickeln konnten. Das wird aber zehnmal mehr für uns zur Notwendigkeit. Die Genossen, die glauben, in Ruhe, ohne Kataklysmus, die Gesellschaft in den Sozialismus hinüberleiten zu können, stehen durchaus nicht auf historischem Boden. Wir brauchen durchaus nicht in der Revolution Heugabeln und Blutvergießen zu verstehen. Eine Revolution kann auch in kulturellen Formen verlaufen, und wenn je eine dazu Aussicht hatte, so ist es gerade die proletarische; denn wir sind die letzten, die zu Gewaltmitteln greifen, die eine brutale Revolution herbeiwünschen könnten. Aber solche Dinge hängen nicht von uns ab, sondern von unseren Gegnern („Sehr richtig!“), und die Frage der Form, in der wir zur Herrschaft gelangen, müssen wir vollkommen ausscheiden; das sind Fragen der Umstände, über die wir heute nicht prophezeien können. Es kommt uns nur auf das Wesen der Sache an, und das besteht darin, daß wir eine gänzliche Umbildung der herrschenden kapitalistischen Wirtschaftsordnung erstreben, die nur durch Ergreifung der Staatsgewalt und niemals auf dem

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