Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 551

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keit der Kartelle wird also von Bernstein selbst an eine Aufhebung des Schutzzollsystems als Vorbedingung geknüpft. Aber dadurch wird sie von ihm selbst auch zur Chimäre gemacht, denn an eine Rückkehr zum Freihandel gegenwärtig denken kann nur jemand, der die Welt auf dem Kopf stehend betrachtet.

Aber wir nehmen an, die Kartelle seien wirklich imstande, die Krisen durch Einschränkung der Produktion zu bannen. Was wäre damit für das Proletariat und die Mittelschichten gewonnen? Die Kartelle sind eines der kräftigsten Mittel zur Expropriation der kleinen Kapitalisten. Wenn die in gleicher Richtung gehende Wirkung der Krisis durch die des Kartells abgelöst wird, so wird die Herrschaft des Großkapitals dadurch nicht weniger unerträglich.

Wodurch kann das Kartell der Krise vorbeugen? Doch nur durch Einschränkung der Produktion. Wir haben aber gesehen, daß stete Ausdehnung der Produktion eine Lebensbedingung für die kapitalistische Produktionsweise ist und vor allem für das Proletariat. Wie sich die Kartelle, wenn es ihnen gelänge, die Produktion zu regeln, mit dem neu akkumulierten Kapital abfänden, ob sie nicht durch dessen Drängen immer wieder zur Erweiterung der Produktion getrieben oder gesprengt würden, das geht uns hier nichts an. Aber sicher ist es, daß jede Hemmung der Ausdehnung der Produktion in der heutigen Produktionsweise unerträgliche Zustände hervorrufen muß und daß es eine Torheit ist, zu glauben, diese würden von den Arbeitern weniger hart empfunden, wenn sie durch künstliche Kartellierung der Unternehmer statt durch Krisen und Bankrotte hervorgerufen werden. Im Gegenteil, wenn die Unternehmer der Krise dadurch vorbeugen wollen, daß sie deren Nachteile den Proletariern in Zeiten der Prosperität aufbürden, wenn sie, um den Profit zu retten, die Arbeiter allein die Folgen einer Produktionseinschränkung tragen lassen, wenn sie ihnen die Folgen einer Überproduktion auferlegen, ehe noch eine solche eingetreten, so kann dies nur dazu führen, den Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit aufs höchste zu steigern.

Weit entfernt, die zum Sozialismus führenden Wirkungen der Krisen aufzuheben, müssen sie vielmehr in derselben Richtung wirken, und das wahrscheinlich, ohne die Krisen zu hemmen. Mehr als jede andere Erscheinung des kapitalistischen Wirtschaftslebens erfüllen sie die arbeitenden Schichten des Volkes mit dem Empfinden der Notwendigkeit der Expropriation der Expropriateure und mit dem Bewußtsein, daß die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat das einzig wirksame Mittel ist, ihnen zu Leibe zu gehen.

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