Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 532

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trag Oertel für erledigt und geht über denselben zur Tagesordnung über.“[1]

Die Vereinzelung Vollmars in ganz Deutschland und in Bayern konstatierte übrigens derselbe Genosse Oertel mit den Worten: „Die Ausführungen Vollmars können mich nicht veranlassen, seinen isolierten Standpunkt [Hervorhebung – R. L.] zu teilen.“[2]

Dagegen wider Vollmar sehen wir die ganze Partei geschlossen auftreten: neben Bebel, Singer und Liebknecht auch Genossen Auer, der sich folgendermaßen ausdrückte:

„Ich halte es nicht für notwendig, unter den heutigen Verhältnissen die Taktik zu ändern, und ich halte es sogar für bedenklich, sie in dem Sinne zu ändern, wie es uns Vollmar vorschlägt. Er sagt, daß es unsere Aufgabe sein müsse, den Weg der Verhandlungen zu betreten, und er kommt ganz folgerichtig zu der Forderung, daß wir ‚Selbstbeschränkung‘ zu üben haben. Diese ‚Selbstbeschränkung‘ halte ich für gefährlich. – Auf diese Weise werden wir, wenn auch nicht mit Wissen und Wollen, doch tatsächlich dahin geführt, daß wir zweierlei Programm haben, eins für den Alltagsbedarf und eins für den Sonntag. Die strenge Scheidelinie, die bis jetzt unsere Partei allen anderen Parteien gegenüber innegehalten hat, wird somit auf die Dauer verwischt werden. – In unserem Programm heißt es: Die Befreiung der Arbeiterklasse muß das Werk der Arbeiterklasse selbst sein. Diesen Standpunkt müssen wir weiter festhalten. Nun hat Oertel vorgeschlagen, klipp und klar auszusprechen, daß der Parteitag die Anschauungen Vollmars nicht teilt. – Das ist kein Vorwurf, kein Mißtrauensvotum; das muß sich jeder Genosse gefallen lassen, daß die höchste Instanz, der Parteitag, in aller Freundschaft und kollegialischer Genossenschaft erklärt: Wir teilen deinen Standpunkt nicht. Ich bitte Sie, nehmen Sie die Bebelsche Resolution mit dem Zusatzantrag Oertel an!“[3] [Hervorhebungen – R. L.]

So sprach Genosse Auer 1891 gegen den alleinstehenden Vollmar.

Seitdem haben sich die Verhältnisse stark geändert. Die von Vollmar ausgestreute Saat ist üppig ins Kraut geschossen. Jedes Jahr, jeder Parteitag brachte seitdem immer neue Fortschritte des Evangeliums „der praktischen Politik“ zum Vorschein, und heute sehen wir auf seiner Seite in Bayern und Süddeutschland dieselben Genossen, die Vollmar in Erfurt aufs schärfste bekämpften, daneben Genossen Schippel, der damals gar mit

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[1] l. c., S. 287. [Fußnote im Original]

[2] l. c., S. 202. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 223 f. [Fußnote im Original]