Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 495

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von nationalen zu internationalen vorzuschreiten. Je breiter die Organisation, um so größer die Aussichten auf Erfolg, um so größer die Macht. Allein diese Ausbreitung der Arbeiterkoalitionen selbst führt überall zur Zusammenfassung der Unternehmer zum Zwecke der Bekämpfung der Organisation. Dies war namentlich in Dänemark der Fall. Und sie bildet ferner selbst die Ermöglichung ebenso wie die Veranlassung immer größerer Massenkämpfe zwischen Kapital und Arbeit. Aber dies ist es eben, was für die Arbeiter auch immer größere Schwierigkeiten mit sich bringt.

Es läßt sich gewissermaßen die Regel aufstellen, daß, je kleiner der Umfang eines Ausstandes oder einer Aussperrung, um so größer die Aussichten der Arbeiter, denn vor allem ist dann die Unterstützung der Nichtarbeitenden während des Kampfes leicht aufzubringen. Erweitert sich aber der Kampf zu einem Massenstreik oder einer Massenaussperrung, die dazu längere Zeit – Wochen, Monate – dauert, so wird die Unterstützung der Getroffenen eine sehr schwierige Frage. Die Solidarität – nationale wie internationale – der Arbeiter hat in solchen Fällen noch nie versagt; trotzdem endeten bis jetzt alle Massenkämpfe der letzten Zeit im besten Fall mit einer halben Niederlage. Für die dänischen Arbeiter erhoffen wir und wünschen selbstverständlich einen glücklicheren Ausgang, wir zweifeln auch nicht, daß die deutsche Arbeiterschaft für diesen Zweck ihre volle Schuldigkeit tun wird. Aber es genügt, zu übersehen, was dieser Kampf die dänische Arbeiterschaft schon gekostet, wie er ihre Organisation materiell erschöpft hat, um die ganze Schwierigkeit der Lage des Proletariats in solchen Fällen richtig einzuschätzen. Theoretisch kann das Kapital ebensowenig die Arbeit entbehren wie die Arbeit das Kapital, so daß beide Teile zum mindesten gleich stark sind. Praktisch liegt der große Unterschied darin, daß das Kapital, wenn es auf ein ihm sehr wichtiges Ziel ankommt, monatelang warten kann, während der Arbeiter mit Mühe und Not einige Wochen aushält.

Die Lehren der letzten Jahre und des gegenwärtigen Augenblickes lassen sich dahin zusammenfassen: Je mehr sich die gewerkschaftliche Organisation ausdehnt, um so öfter ist sie den Kraftproben schwieriger Massenkämpfe ausgesetzt, um so mehr materielle Kräfte muß sie darauf verwenden, ihr bloßes Dasein zu verteidigen. Die Hungerpeitsche des Kapitals erweist sich dabei als das praktische Hindernis, an dem die theoretische „wirtschaftliche Macht“ des Arbeiters zerschellt.

Darin liegt eben der grundsätzliche Unterschied zwischen der politischen und der wirtschaftlichen Seite der Arbeiterbewegung.

Unsere politische Macht liegt in dem Klassenbewußtsein, in dem Willen

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