das nachher hinzugetretene Sinken der Getreidepreise und der Bodenpreise haben die breite Masse der schon mit Schulden belasteten mittleren Grundbesitzer an den Rand des Ruins gebracht. Ein Dritteil aller adeligen Güter ist schon aus den Händen seiner Besitzer entschlüpft: 15 Prozent davon sind in die Hände von Juden und Deutschen übergegangen, andere 15 Prozent wurden in Parzellen geschlagen und an Zwergproduzenten verkauft. Der übrige Grundbesitz ist mit einer Hypothekenschuld belastet, die im Durchschnitt 80 Prozent, in zwei Fünfteln der Fälle aber 100 bis 250 Prozent des Wertes beträgt. Ein ganzes Dritteil der Güter ist demnächst zur Subhastation verurteilt. Die Landwirtschaft kann sich jetzt überhaupt in Polen nur in zwei extremen Existenzformen über dem Wasser halten: entweder als große Kultur mit intensiver Wirtschaft, berechnet auf die fabrikmäßige Bearbeitung ihrer Produkte und dadurch indirekt abhängig von den russischen Märkten, oder als Zwergkultur mit der rückständigsten Dreifelderwirtschaft, die sich nur dadurch zäher in ihrer Existenz erweist, weil sie auf denjenigen Teil des Einkommens, der in einem kapitalistischen Betriebe die Rente und den Profit darstellt, sowie auch auf einen Teil des Lohnes verzichtet. Der mittlere Besitzerstand – und das ist gerade der eigentliche Verfechter der nationalen Freiheit – ist heute gänzlich von einem verzweifelten täglichen Kampf ums Dasein in Anspruch genommen. Sein „soziales Programm“ – um mit seinen heutigen Wortführern Bloch und Gorski zu sprechen – ist eine Parzellationsbank und ein Ameliorationskredit.[1] Und mit diesen beiden Rettungsmitteln kann er sich nicht erst auf eine künftige polnische Regierung vertrösten. Der vor der Türe stehende Exekutor ist ein Argument, welches dem notleidenden polnischen Agrarier die russische Zarenregierung als den einzigen Heiland erscheinen und ihn vor derselben auf den Knien rutschen läßt.
Das Kleinbürgertum stellt politisch keine einheitliche Masse dar. Einige Handwerkszweige (Bekleidungsindustrie etc.) benutzen direkt russische Märkte, ihr soziales Programm sind Handwerkerkompagnien zum Absatz „im Osten“. Diese und viele andere Zweige profitieren aus der Akkumulation der Kapitalien im Lande und aus der dadurch gesteigerten inneren Nachfrage. Sie sind daher Nachläufer der Großbourgeoisie. Jedoch eine ganze Reihe Handwerksbranchen haben direkt von der Konkurrenz der
[1] Die obigen Angaben haben wir u. a. den Arbeiten von J. G. Bloch: Der Grundbesitz und dessen Verschuldung, Warschau 1890, und Der Ameliorationskredit und die Lage der Landwirtschaft, Warschau 1892, ferner L. Górski: Unsere Fehler in der Landwirtschaft, Warschau 1874, und der „Landwirtschaftlichen Encyclopädie“, Bd. I, Warschau 1890, entnommen, einiges auch den „Foreign Office, Miscellan. series“, Nr. 347: Report on the Position of Landed Proprietors in Poland, u. Nr. 355: Report an the peasantry and peasant holdings in Poland. [Fußnote im Original]