Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 464

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sozialen und politischen Schlußfolgerungen. Bildet nämlich bloß die unproduktive Konsumtion, d. h. die Konsumtion des Staates und der bürgerlichen Klassen, eine wirtschaftliche Entlastung und ein Gegenmittel zur Abschwächung der Krisen, dann erscheint es im Interesse der Gesellschaft und des ruhigen Verlaufes des Produktionszyklus, daß die unproduktive Konsumtion möglichst erweitert, die produktive möglichst eingeschränkt, der von den Kapitalisten und dem Staate angeeignete Teil des gesellschaftlichen Reichtums möglichst groß, der für das arbeitende Volk verbleibende möglichst gering, die Profite und die Steuern möglichst hoch, die Löhne möglichst niedrig sind. Der Arbeiter eine wirtschaftliche „Last“ für die Gesellschaft, und die Hündchen der Herzogin d'Uzès ein wirtschaftlicher Rettungsanker – das sind die Konsequenzen der Schippelschen „Entlastungs“theorie.

Wir haben gesagt, sie sei auch unter den vulgärökonomischen Theorien die trivialste. Was ist der Gradmesser der vulgärökonomischen Trivialität? Das Wesen der Vulgärökonomie besteht darin, daß sie die Vorgänge der kapitalistischen Wirtschaft nicht im objektiven[1] Zusammenhang und in ihrem inneren Wesen, sondern in der oberflächlichen Zersplitterung durch die Gesetze der Konkurrenz, nicht durch das Fernrohr der Wissenschaft, sondern durch die Brille des Einzelinteressenten der bürgerlichen Gesellschaft betrachtet. Aber je nach dem Standpunkt dieses Interessenten verschiebt sich auch das Bild der Gesellschaft, und es kann sich mehr oder weniger schief im Hirn des Ökonomen abspiegeln. Je näher der Standpunkt zum eigentlichen Produktionsprozeß, um so näher steht die Auffassung zur Wahrheit. Und je weiter sich der Forscher zum Austauschmarkt, zum Gebiet der vollen Herrschaft der Konkurrenz voranbewegt, um so mehr steht das von dort aus gesehene Bild der Gesellschaft auf dem Kopfe.

Die Schippelsche Krisentheorie ist, wie wir gezeigt, vom Standpunkte der Kapitalisten als Klasse absolut unhaltbar: Sie läuft auf den Rat hinaus, die Kapitalistenklasse soll selbst ihren Überfluß an Produkten konsumieren. Aber auch ein einzelner kapitalistischer Industrieller wird sie mit Achselzucken aufnehmen. Ein Freiherr v. Stumm[2] oder ein v. Heyl sind viel zu klug, um sich dem Wahn hinzugeben, ihr eigener und ihrer Klassengenossen Luxus könne den Krisen irgendwie abhelfen. Diese Auffassung kann nur einem kapitalistischen Kaufmann, richtiger einem kapitalistischen Krämer aufsteigen, für den seine unmittelbaren Abnehmer, die

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[1] 2. Auflage: nicht in ihrem tiefliegenden.

[2] 2. Auflage: Ein Krupp.