Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 453

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/453

Interessen mit dem der Kapitalsinteressen und stellt sich somit – wie wir eingangs gesagt haben – auf bürgerlichen Standpunkt, sondern er geht auch, indem er annimmt, jeder ökonomische Vorteil des Unternehmertums sei notwendig auch ein Vorteil für die Arbeiterklasse, von dem Grundsatze der Interessenharmonie zwischen Kapital und Arbeit aus.

Es ist dies wiederum derselbe Standpunkt, den wir bei Schippel schon einmal kennengelernt haben – in der Zollfrage. Auch hier trat er, da er den Arbeiter als Produzenten vor dem verderblichen Wettbewerbe der ausländischen Industrie schützen wollte, im Prinzip für den Schutzzoll ein. Hier ganz wie in der Militärvorlage sieht er nur unmittelbare wirtschaftliche Interessen des Arbeiters und übersieht seine weiteren sozialen Interessen, die mit dem allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritt zum Freihandel oder zur Abschaffung stehender Heere zusammenhängen. Und hier wie dort nimmt er auch für unmittelbares wirtschaftliches Interesse der Arbeiter unmittelbar[1] das, was das Interesse des Kapitals ist, indem er glaubt, daß alles, was für das Unternehmertum ein Vorteil, auch für die Arbeiter ein solcher sei. Aufopferung der Endziele der Bewegung den praktischen Interessen vom Standpunkte der Interessenharmonie zwischen Kapital und Arbeit – diese beiden Grundsätze stehen ebenso im harmonischen Zusammenhang untereinander, wie sie das wesentliche Merkmal aller opportunistischen Politik bilden.

Es kann auf den ersten Blick überraschen, daß ein Befürworter dieser Politik die Möglichkeit findet, sich auf die Schöpfer des sozialdemokratischen Programms zu berufen und allen Ernstes, da doch sein Gewährsmann in der Militärfrage der Freiherr v. Stumm ist, als seinen Gewährsmann in derselben Frage – Friedrich Engels zu betrachten. Es ist die Einsicht in die geschichtliche Notwendigkeit und die geschichtliche Entwicklung des Militarismus, die Schippel mit Engels gemein zu haben wähnt. Allein dies beweist nur wieder, daß, wie einst die schlecht verdaute Hegelsche Dialektik, so jetzt die schlecht verdaute Marxsche Geschichtsauffassung zu der heillosesten Verwirrung in den Köpfen führt. Es zeigt sich ferner abermals, daß beide, die dialektische Denkweise im allgemeinen wie die materialistische Geschichtsphilosophie im besonderen, so revolutionär sie in richtiger Auffassung sind, gefährliche reaktionäre Konsequenzen erzeugen, sobald sie verkehrt aufgefaßt werden. Liest man Schippelsche Zitate aus Engels, namentlich aus dem „Anti-Dühring“, über die Entwicklung des militärischen Systems zu seiner eigenen Aufhebung und zum Volksheer, so erscheint es auf den ersten Blick unklar, worin denn

Nächste Seite »



[1] 2. Auflage: ohne weiteres.