Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 452

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Es fragt sich aber: Wie konnte Schippel auf den so absurd klingenden Gedanken kommen, den Militarismus auch vom Standpunkte der Arbeiterklasse für eine „Entlastung“ zu erklären? Erinnern wir uns, wie dieselbe Frage vom Standpunkte des Kapitals aussieht. Wir haben dargelegt, daß für das Kapital der Militarismus die gewinnreichste und unentbehrlichste Anlageart schafft. [In der Tat!] Es ist zwar klar, daß dieselben Mittel, die, durch Besteuerung in die Hände der Regierung gelangt, zur Erhaltung des Militarismus dienen, wenn sie in der Hand der Bevölkerung geblieben wären, eine gewachsene Nachfrage nach Lebensmitteln [und Komfortgegenständen] darstellten oder, vom Staate in größerem Maßstabe zu Kulturzwecken angewandt, gleichfalls eine entsprechende Nachfrage nach gesellschaftlicher Arbeit schaffen würden. Es ist zwar klar, daß auf diese Weise für die Gesellschaft im ganzen der Militarismus durchaus keine „Entlastung“ ist. Allein anders gestaltet sich die Frage vom Standpunkte des kapitalistischen Profits, vom Unternehmerstandpunkte. Für den Kapitalisten ist es gar nicht gleich, ob er eine bestimmte Nachfrage nach Erzeugnissen auf seiten der zersplitterten Privatkäufer oder auf seiten des Staates findet. Die Nachfrage des Staates zeichnet sich durch eine Sicherheit, Massenhaftigkeit und günstige, meistens monopolartige Gestaltung der Preise aus, die den Staat zum vorteilhaftesten Abnehmer und die Lieferungen für ihn zum glänzendsten Geschäft für das Kapital machen.

Was aber besonders bei militärischen Lieferungen als höchst wichtiger Vorteil zum Beispiel vor staatlichen Ausgaben für Kulturzwecke (Schulen, Wege etc.) hinzukommt, sind die unaufhörlichen technischen Umwälzungen und das unaufhörliche Wachstum der Ausgaben, so daß der Militarismus eine unerschöpfliche, ja immer ergiebigere Quelle der kapitalistischen Gewinne darstellt und das Kapital zu einer sozialen Macht erhebt, wie sie dem Arbeiter zum Beispiel in den Kruppschen und Stummschen Unternehmungen entgegentritt. Der Militarismus, der für die Gesellschaft im ganzen eine ökonomisch völlig absurde Vergeudung ungeheurer Produktivkräfte darstellt, der für die Arbeiterklasse eine Herabsetzung ihres wirtschaftlichen Lebensmaßstabes[1] zum Zwecke ihrer sozialen Versklavung bedeutet, bildet für die Kapitalistenklasse ökonomisch die glänzendste, unersetzliche Anlageart wie gesellschaftlich[2] und politisch die beste Stütze ihrer Klassenherrschaft. Wenn daher Schippel denselben Militarismus kurzerhand für eine notwendige ökonomische „Entlastung“ erklärt, so verwechselt er offenbar nicht nur den Standpunkt der gesellschaftlichen

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[1] 2. Auflage: ihrer wirtschaftlichen Lebenshaltung.

[2] 2. Auflage: sozial.