Aber hier wie sonst ist der vulgärökonomische Schnitzer bei Bernstein bloß der theoretische Boden für eine Vulgarisierung des Sozialismus. Indem Bernstein den Begriff Kapitalist aus den Produktionsverhältnissen in die Eigentumsverhältnisse überträgt und „statt von Unternehmern von Menschen spricht“ (S. 53), überträgt er auch die Frage des Sozialismus aus dem Gebiete der Produktion auf das Gebiet der Vermögensverhältnisse, aus dem Verhältnis von Kapital und Arbeit in das Verhältnis von reich und arm.
Damit sind wir von Marx und Engels glücklich auf den Verfasser des Evangeliums des armen Sünders zurückgebracht, nur mit dem Unterschiede, daß Weitling mit richtigem proletarischem Instinkt eben in diesem Gegensatz von arm und reich in primitiver Form die Klassengegensätze erkannte und zum Hebel der sozialistischen Bewegung machen wollte, während Bernstein umgekehrt in der Verwandlung der Armen in Reiche, d. h. in der Verwischung des Klassengegensatzes, also im kleinbürgerlichen Verfahren, die Aussichten des Sozialismus sieht.
Freilich beschränkt sich Bernstein nicht auf die Einkommensstatistik. Er gibt uns auch Betriebsstatistik, und zwar aus mehreren Ländern: aus Deutschland und aus Frankreich, aus England und aus der Schweiz, aus Österreich und aus den Vereinigten Staaten. Aber was für eine Statistik ist das? Es sind dies nicht etwa vergleichende Daten aus verschiedenen Zeitpunkten in je einem Lande, sondern aus je einem Zeitpunkt in verschiedenen Ländern. Er vergleicht also – ausgenommen Deutschland, wo er seine alte Gegenüberstellung von 1895 und 1882 wiederholt – nicht den Stand der Betriebsgliederung eines Landes in verschiedenen Momenten, sondern nur die absoluten Zahlen für verschiedene Länder (für England vom Jahre 1891, Frankreich 1894, Vereinigte Staaten 1890 etc.). Der Schluß, zu dem er gelangt, ist der, „daß, wenn der Großbetrieb in der Industrie heute tatsächlich schon das Übergewicht hat, er doch, die von ihm abhängigen Betriebe eingerechnet, selbst in einem so vorgeschrittenen Lande wie Preußen höchstens die Hälfte der in der Produktion tätigen Bevölkerung vertritt“, und ähnlich in ganz Deutschland, England, Belgien usw. (S. 84.)
Was er auf diese Weise nachweist, ist offenbar nicht diese oder jene Tendenz der ökonomischen Entwicklung, sondern bloß das absolute Stärkeverhältnis der verschiedenen Betriebsformen bzw. verschiedenen Berufsklassen. Soll damit die Aussichtslosigkeit des Sozialismus bewiesen werden, so liegt dieser Beweisführung eine Theorie zugrunde, wonach über den Ausgang sozialer Bestrebungen das zahlenmäßige, physische Stärkever-