einem Produktionskapital, zu einer Wirtschaftseinheit, andererseits in der Trennung der Produktion vom Kapitaleigentum, also in einer zweifachen Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise – immer auf kapitalistischer Basis. Was bedeutet angesichts dessen die von Bernstein angeführte Statistik der großen Zahl der an einer Unternehmung beteiligten Aktionäre? Eben nichts anderes, als daß jetzt eine kapitalistische Unternehmung nicht einem Kapitaleigentümer, wie ehedem, sondern einer ganzen Anzahl, einer immer mehr anwachsenden Zahl von Kapitaleigentümern entspricht, daß somit der wirtschaftliche Begriff „Kapitalist“ sich nicht mehr mit „Mensch“[1] deckt, daß der heutige [2]Kapitalist eine Sammelperson ist, die aus Hunderten, ja aus Tausenden von Personen besteht, daß die Kategorie „Kapitalist“ selbst im Rahmen der kapitalistischen Wirtschaft zur gesellschaftlichen, daß sie vergesellschaftet wurde.
Wie erklärt es sich aber angesichts dessen, daß Bernstein das Phänomen der Aktiengesellschaften gerade umgekehrt als eine Pulverisierung[3] und nicht als eine Zusammenfassung des Kapitals auffaßt, daß er dort Verbreitung des Kapitaleigentums, wo Marx „Aufhebung des Kapitaleigentums“ sieht? Durch einen sehr einfachen vulgärökonomischen Schnitzer: weil Bernstein unter Kapitalist nicht eine Kategorie der Produktion, sondern des Eigentumsrechts, nicht eine wirtschaftliche, sondern eine steuerpolitische Einheit, unter Kapital nicht ein Produktionsganzes, sondern schlechthin Geldvermögen versteht. Deshalb sieht er in seinem englischen Nähgarntrust nicht die Zusammenschweißung von 12 300 Personen zu einem, sondern ganze 12 300 Kapitalisten, deshalb ist ihm auch sein Ingenieur Schulze, der als Mitgift für seine Frau vom Rentier Müller „eine größere Anzahl Aktien“ bekommen hat (S. 54)[4], auch ein Kapitalist, deshalb wimmelt ihm die ganze Welt von „Kapitalisten“.[5]
[1] 2. Auflage: dem Einzelindividuum.
[2] 2. Auflage: eingefügt „industrielle“.
[3] 2. Auflage: Zersplitterung.
[4] Alle im Text folgenden Seitenangaben Rosa Luxemburgs beziehen sich auf: Eduard Bernstein: Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899.
[5] Notabene! Bernstein sieht offenbar in der großen Verbreitung kleiner Aktien einen Beweis, daß der gesellschaftliche Reichtum seinen Aktiensegen bereits über ganz kleine Leute zu ergießen beginnt. In der Tat, wer würde denn sonst als Kleinbürger oder gar Arbeiter z. B. Aktien für die Bagatelle von 1 Pfd. oder 20 M kaufen! Leider beruht diese Annahme auf einem einfachen Rechenschnitzer: Man operiert mit dem Nennwerte der Aktien statt mit ihrem Marktwerte, was aber zweierlei ist. Ein Beispiel! Auf dem Minenmarkt werden u. a. die südafrikanischen Randmines gehandelt; die Aktien sind, wie die meisten der Minenwerte, 1-Pfd.(= 20 Mark)-Papiere. Ihr Preis ist aber gegenwärtig 43 Pfd. (s. den Kurszettel Ende März), d. h. nicht 20, sondern 860 Mark! Und so steht es im Durchschnitt überall. Die „kleinen“ Aktien sind also, obwohl sie so demokratisch klingen, tatsächlich meistens gutbürgerliche und keineswegs kleinbürgerliche oder gar proletarische „Anweisungen auf den gesellschaftlichen Reichtum“, denn zum Nennwert werden sie von dem kleinsten Teil der Aktionäre erworben.