und aller näheren Umstände. Aus einem Motor[1] der kapitalistischen Entwicklung ist auch der Militarismus zur kapitalistischen Krankheit geworden.
Bei dem dargelegten Zwiespalt zwischen der gesellschaftlichen Entwicklung und den herrschenden Klasseninteressen stellt sich der Staat auf die Seite der letzteren. Er tritt in seiner Politik, ebenso wie die Bourgeoisie, in Gegensatz zu der gesellschaftlichen Entwicklung, er verliert somit immer mehr seinen Charakter des Vertreters der gesamten Gesellschaft und wird in gleichem Maße immer mehr zum reinen Klassenstaate. Oder, richtiger ausgesprochen, diese seine beiden Eigenschaften trennen sich voneinander und spitzen sich zu einem Widerspruche innerhalb des Wesens des Staates zu. Und zwar wird der bezeichnete Widerspruch mit jedem Tage schärfer. Denn einerseits wachsen die Funktionen des Staates von allgemeinem Charakter, seine Einmischung in das gesellschaftliche Leben, seine „Kontrolle“ darüber. Andererseits aber zwingt ihn sein Klassencharakter immer mehr, den Schwerpunkt seiner Tätigkeit und seine Machtmittel auf Gebiete zu verlegen, die nur für das Klasseninteresse der Bourgeoisie von Nutzen, für die Gesellschaft nur von negativer Bedeutung sind – den Militarismus, die Zoll-und Kolonialpolitik. Zweitens wird dadurch auch seine „gesellschaftliche Kontrolle“ immer mehr vom Klassencharakter durchdrungen und beherrscht (siehe die Handhabung des Arbeiterschutzes in allen Ländern [, England ausgenommen]).
Der bezeichneten Wandlung im Wesen des Staates widerspricht nicht, entspricht vielmehr vollkommen die Ausbildung der Demokratie, in der Bernstein ebenfalls das Mittel der stufenweisen Einführung des Sozialismus sieht.
Wie Konrad Schmidt erläutert, soll die Erlangung einer sozialdemokratischen Mehrheit im Parlamente sogar der direkte Weg dieser stufenweisen Sozialisierung der Gesellschaft sein. Die demokratischen Formen des politischen Lebens sind nun zweifellos eine Erscheinung, die am stärksten die Entwicklung des Staates zur Gesellschaft zum Ausdruck bringt und insofern eine Etappe zur sozialistischen Umwälzung bildet. Allein der Zwiespalt im Wesen des kapitalistischen Staates, den wir charakterisiert haben, tritt in der modernen Demokratie[2] um so greller zutage. Zwar der Form nach dient nämlich die Demokratie[3] dazu, in der staatlichen Organisation die Interessen der gesamten Gesellschaft zum Ausdruck zu bringen.