Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 380

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schen Produktionsweise und Austauschweise, indem er die Produktion aufs höchste anspannt, den Austausch aber bei geringstem Anlaß lahmlegt. Er steigert den Widerspruch zwischen Produktions- und Aneignungsweise, indem er die Produktion vom Eigentum trennt, indem er das Kapital in der Produktion in ein gesellschaftliches, den Profit[1] aber in die Form eines reinen Kapitalzinses[2], also in einen reinen Eigentumstitel verwandelt. Er steigert den Widerspruch zwischen den Eigentums- und den Produktionsverhältnissen, indem er durch gewaltsame Enteignung vieler kleiner Kapitalisten in wenigen Händen ungeheure Produktivkräfte vereinigt. Er steigert den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen und dem privaten Charakter der Produktion[3], indem er die Einmischung des Staates in die Produktion (Aktiengesellschaft) notwendig macht.

Mit einem Wort, der Kredit reproduziert alle kardinalen Widersprüche der kapitalistischen Welt, er führt sie ad absurdum[4], [er überführt sie also ihrer eigenen Unzulänglichkeit] er beschleunigt das Tempo[5], in dem sie ihrer eigenen Vernichtung – dem Zusammenbruch – entgegeneilt. Das erste Anpassungsmittel für den Kapitalismus in bezug auf den Kredit müßte also darin bestehen, den Kredit abzuschaffen, ihn rückgängig zu machen. So, wie er ist, bildet er nicht ein Anpassungs-, sondern ein Vernichtungsmittel von höchst revolutionärer Wirkung. Hat doch ebendieser revolutionäre, über den Kapitalismus selbst hinausführende Charakter des Kredits sogar zu sozialistisch angehauchten Reformplänen verleitet und große Vertreter des Kredits[6], wie Marx sagt, halb als Propheten, halb als Lumpen erscheinen lassen.

Ebenso eingebildet[7] erweist sich nach näherer Betrachtung das zweite „Anpassungsmittel“ der kapitalistischen Produktion – die Unternehmerverbände. Nach Bernstein sollen sie durch die Regulierung der Produktion der Anarchie Einhalt tun und Krisen vorbeugen. Davon könnte selbstverständlich nur[8] in dem Maße die Rede sein, als die Kartelle, Trusts etc. annähernd zu einer allgemeinen, herrschenden Produktionsform werden sollten. Allein gerade dies ist durch die Natur der Kartelle selbst aus-

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[1] 2. Auflage: einen Teil des Profits.

[2] 2. Auflage: des Kapitalzinses.

[3] 2. Auflage: dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem kapitalistischen Privateigentum.

[4] 2. Auflage: er treibt sie auf die Spitze.

[5] 2. Auflage: den Gang.

[6] 2. Auflage: eingefügt „ , wie Isaac Péreire in Frankreich“.

[7] 2. Auflage: hinfällig.

[8] 2. Auflage: Die Entwicklung der Kartelle und Trusts ist freilich eine in ihren vielseitigen ökonomischen Wirkungen noch nicht erforschte Erscheinung. Sie bildet erst ein Problem, das nur an Hand der Marxschen Lehre gelöst werden kann. Allein soviel ist auf jeden Fall klar: Von einer Eindämmung der kapitalistischen Anarchie durch die Unternehmerkartelle könnte nur.