Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 379

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sich noch bietet, und verringert so während der Krise die Konsumtionsfähigkeit auf das Mindestmaß.

Außer diesen beiden wichtigsten Ergebnissen wirkt der Kredit in bezug auf die Krisenbildung noch mannigfach. Er bietet nicht nur das technische Mittel, einem Kapitalisten die Verfügung über fremde Kapitale in die Hand zu geben, sondern bildet für ihn zugleich den Sporn zu einer kühnen und rücksichtslosen Verwendung des fremden Eigentums, also zu waghalsigen Spekulationen. Er verschärft nicht nur als heimtückisches Zirkulationsmittel[1] die Krise, sondern erleichtert ihr Eintreten und ihre Verbreitung, indem er die ganze Zirkulation[2] in eine äußerst zusammengesetzte und künstliche Maschinerie mit einem Mindestmaß Metallgeld als reeller Grundlage verwandelt und so ihre Störung bei geringstem Anlaß herbeiführt.

So ist der Kredit, weit entfernt, ein Mittel zur Beseitigung oder auch nur zur Linderung der Krisen zu sein, ganz im Gegenteil ein besonderer mächtiger Faktor der Krisenbildung. Und das ist auch gar nicht anders möglich. Die spezifische Funktion des Kredits ist – ganz allgemein ausgedrückt – doch nichts anderes, als den Rest von Stabilität[3] aus allen kapitalistischen Verhältnissen zu verbannen und überall die größtmögliche Elastizität hineinzubringen, alle kapitalistischen Potenzen[4] im höchsten Maße dehnbar, relativ und empfindlich zu machen. Daß damit die Krisen, die nichts anderes als der periodische Anprall[5] der einander widerstrebenden Potenzen[6] der kapitalistischen Wirtschaft sind, nur erleichtert und verschärft werden können, liegt auf der Hand.

Dies führt uns aber zugleich auf die andere Frage, wie der Kredit überhaupt als ein „Anpassungsmittel“ des Kapitalismus erscheinen kann. In welcher Beziehung und in welcher Gestalt immer die „Anpassung“ mit Hilfe des Kredits gedacht wird, ihr Wesen kann offenbar nur darin bestehen, daß irgendein gegensätzliches Verhältnis der kapitalistischen Wirtschaft ausgeglichen, irgendeiner ihrer Widersprüche aufgehoben oder abgestumpft und so den eingeklemmten Kräften auf irgendeinem Punkte freier Spielraum gewährt wird. Wenn es indes ein Mittel in der heutigen kapitalistischen Wirtschaft gibt, alle ihre Widersprüche aufs höchste zu steigern, so ist es gerade der Kredit. Er steigert den Widerspruch zwi-

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[1] 2. Auflage: heimtückisches Mittel des Warenaustausches.

[2] 2. Auflage: den ganzen Austausch.

[3] 2. Auflage: Standfestigkeit.

[4] 2. Auflage: Kräfte.

[5] 2. Auflage: Zusammenstoß.

[6] 2. Auflage: Kräfte.