Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 340

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Rechte, sondern tatsächliche, teils ökonomische, teils politische und geschichtliche Verhältnisse zugrunde. Allein ein wahrer und sehr wichtiger Kern liegt in den Schlußfolgerungen Rousiers´ insofern, als er die Wirkung der besonderen lokalen Verhältnisse der Vereinigten Staaten auf die Entwicklung der Unternehmerorganisationen hervorhebt und den Satz aufstellt, daß die Kartellierung der Industrie nicht etwa eine normale und notwendige Phase der Produktionsentwicklung auf einer bestimmten Stufe der Konzentration ist. „Die Konzentration“, sagt er, „ist eine allgemeine und absolut normale Erscheinung; die Monopolisation (R. versteht darunter die Kartellierung) ist eine exklusive Erscheinung, die stets etwas Künstliches an sich hat.“ Es bedarf des Zusammentreffens mehrerer bestimmter, teils natürlicher, teils „künstlicher“ Faktoren, um eine Kartellbildung zu ermöglichen und ihr eine dauernde Existenz zu sichern. Schon deshalb ist eine allgemeine Verbreitung der Kartelle auf alle wichtigen Industriezweige in allen Ländern ausgeschlossen – ein vollkommen richtiger Schluß, zu dem freilich nicht nur die mehr äußeren Beobachtungen Rousiers’ über die Geschichte und Organisation der amerikanischen Trusts, sondern in gleichem Maße die allgemeine innere Natur der Unternehmerorganisation führt.

Jedenfalls hat Rousiers vollkommen recht, wenn er als das wirksamste Mittel für die europäischen Länder, der ähnlichen Ausbreitung der Kartelle wie in Amerika entgegenzuwirken, die Abschaffung des protektionistischen Zollsystems betrachtet.

Wenn aber jemand Grund hat, gegen die künstliche Aufzucht der Industriemonopole durch eine verrückte Schutzzollpolitik mit aller Energie aufzutreten, so die Arbeiterklasse. Ganz abgesehen von der Verteuerung der Lebensmittel und nicht nur als Konsumenten, sondern unmittelbar als Lohnarbeiter sind die Proletarier an einer Eindämmung der Kartellbewegung interessiert. Schon anfangs der 90er Jahre wies Schoenlank in seiner Arbeit über die Kartelle[1] auf die enorme Gefahr hin, die die Unternehmerorganisationen und die Monopolisierung der Industrie für die Arbeiterbewegung und die ganze Existenz der Arbeiterschaft in sich bergen. Spezielle amtliche Untersuchungen über [Auswirkungen der] Trusts auf die Lage der Arbeiterschaft in den Vereinigten Staaten haben dies in greller Weise bestätigt. So schildert eine Kongreßkommission[2] die Lage der Arbeiter, die unter der Botmäßigkeit der Eisenbahn- und Kohlensyndikate in Pennsylvania stehen:

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[1] Bruno Schoenlank: Die Kartelle. Beiträge zu einer Morphologie der Unternehmerverbände. In: Archiv für Soziale Gesetzgebung und Statistik, 3. Bd., Tübingen 1890, S. 489–538.

[2] Kongreß heißt in den Vereinigten Staaten das Abgeordnetenhaus der Union. [Fußnote im Original]