Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 339

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wollte, zu übertragen, so daß tatsächlich jede neue technische Verbesserung zwangsweise nur an die American Tobacco Company verkauft werden muß. Dies originelle Geschäft ging so gut, daß die Kompanie, gegründet 1890 mit einem Kapital von 10 Mill. Dollar, nach 3 Jahren (im Jahre 1893) schon in der Lage war, einen Reingewinn von 4,3 Mill. Dollar einzustreichen.

Endlich spielte noch eine spezifisch amerikanische Erscheinung des öffentlichen Lebens eine große Rolle in der riesigen Entwicklung der Kartelle – es ist dies die in den Vereinigten Staaten seit jeher übliche Überlassung der öffentlichen Dienste an privatkapitalistische Ausbeutung. Des privaten Eisenbahnbetriebes, der zur Gründung einiger mächtiger Kartelle als Basis gedient hat, haben wir schon Erwähnung getan. Desgleichen ist aber die Gasbeleuchtung, der Tramwayverkehr in den meisten Städten kartelliert, ja, die Telegraphie wird heute, was in Europa nirgends der Fall ist, in der ganzen Union fast von dem einzigen Trust Western Union, der seit 1856 etwa 50 kleinere Einzelunternehmungen verschlungen hat, ausgebeutet.

Somit, kommt der Verfasser zum Schluß, genügt zur Bildung von Kartellen ein hoher Grad der Konzentration in einem Produktionszweig an und für sich noch gar nicht. Bei der Bildung der meisten und namentlich der mächtigsten amerikanischen Trusts haben, wie wir gesehen, einige teils allgemeine, teils spezifisch amerikanische, in beiden Fällen aber äußere, „künstliche“ Momente – wie Eisenbahnpolitik, Zollpolitik, Privatbetrieb der öffentlichen Dienste – mitgewirkt, ohne die es zur Organisation und zu dauerndem Bestehen der Kartelle nicht hätte kommen können. Diese „künstlichen“ Momente in ihrer besonderen Gestalt in den Vereinigten Staaten führt der Verfasser auf einen allgemeinen Zug im öffentlichen Leben der Union zurück: nämlich auf die falsche Auffassung vom öffentlichen Recht seitens der Amerikaner, wonach die öffentlichen, allgemein staatlichen Interessen nicht von privaten unterschieden und demgemäß nicht durch eine einheitliche und kluge Politik des Staates der Ausbeutung durch Privatinteressen entzogen werden. Rousiers zieht daraus den für die europäischen Länder tröstlichen Schluß, daß für uns die Gefahr der Kartellbildung sehr gering sei, da wir in der Auffassung vom öffentlichen Rechte viel weiter vorgeschritten seien. Diese ganze Betrachtung ist natürlich verfehlt und bringt uns die besondere Vorliebe der Franzosen, die Dinge vom rein formalen öffentlich-rechtlichen Standpunkt zu betrachten, zum Ausdruck. Tatsächlich liegen auch in Amerika der üppigen Ausbildung der Kartelle nicht diese oder jene abstrakte „Auffassung“ vom

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