Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 338

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ihn zur Lebensfrage wird, und so beeilten sich z. B. die Aktieninhaber der American Sugar Refining Company, wie der Trust heißt, 1894, als man im Abgeordnetenhause über die Bill Wilson[1] diskutierte und die Demokratische Partei eine Zollherabsetzung durchführen wollte, ihre Aktien im stillen schnell zu veräußern, um die Verluste bei dem befürchteten Bankerott der Kompanie auf andere, naivere Leute abzuwälzen. Ungefähr dieselben Manöver wiederholen sich bei jeder Tarifrevision, wobei das Flackern des Lebenslichtes der Unternehmerorganisation sich – wie gebührt – in den Schwankungen ihrer Aktien widerspiegelt. 1897, zu Beginn der Beratung über den Dingley-Tarif[2], standen die Zuckeraktien auf 110 Dollar, zum Schluß der Beratung, die bekanntlich mit dem Siege der „Zuckerinteressen“ endete, stiegen sie auf 140 Dollar, was auf das Gesamtkapital der Kompanie einen Gewinn von 13 Millionen Dollar bedeutet. Es ist somit nur ein Resultat der Pression, die das Zuckerkartell auf die amerikanischen Gesetzgeber auszuüben versteht, daß die Organisation jedesmal siegreich die Gefahren einer Zollrevision überwindet.

Ein anderer, wie sich Rousiers ausdrückt, „künstlicher“ Faktor der Kartellbildung sind die Erfindungspatente. Auch in solchen Industrien, wo weder die Produktion an sich – durch natürliche Beschränkung der Bezugsquellen des Rohstoffes – noch die Zollpolitik ein ausreichendes Monopol als Basis einer Unternehmerorganisation schaffen, kann ein Monopol auf besonderes technisches Verfahren bei der Produktion solche Basis bilden. Dies wird durch die Entstehung des Zigaretten- und des Kautschukkartells illustriert. Die jetzt beinahe die ganze Zigarettenproduktion der Vereinigten Staaten beherrschende American Tobacco Company, d. h. die in ihr begriffenen Unternehmungen, produzieren außer Zigaretten auch noch Rauch-, Schnupf- und Kautabak, Zigarren, Zigarrenblätter; dennoch haben sie nur einen Zweig ihrer Produktion, die Zigaretten, zum Gegenstand eines Kartellmonopols gemacht. Der Grund liegt ebendarin, daß es den Unternehmungen nur in diesem Zweige gelungen ist, durch das Abkommen mit einer Zigarettenmaschinenfabrik nicht nur das beste Produktionsverfahren für sich zu monopolisieren, sondern auch unter allerlei Vorwänden dieser Fabrik die gerichtliche Verfolgung jedes neuen Erfinders auf diesem Gebiete, der seine Erfindung einer anderen Unternehmung verkaufen

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[1] Im August 1894 war der vom Mitglied des Repräsentantenhauses William Lyne Wilson vorgelegte Zolltarif, der eine wesentliche Herabsetzung der Zölle für die Einfuhr von Rohprodukten vorsah, in Kraft getreten.

[2] Am 24. Juli 1897 war das von Nelson Dingley, Mitglied des Repräsentantenhauses der USA, eingebrachte schutzzöllnerische Tarifgesetz beschlossen worden, das eine durchschnittliche Zollhöhe von über 50 % vorsah und bis 1909 in Kraft blieb.