Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 337

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geschrieben hatte[1], im Jahre 1896 im Auftrage des französischen Musée social an Ort und Stelle befaßte.

Rousiers faßt zunächst kurz die verschiedenen, oft einander direkt widersprechenden Strömungen der öffentlichen Meinung in bezug auf die Unternehmerverbände zusammen, gibt dann eine eingehende Schilderung der Entstehung und der Organisation der bedeutendsten amerikanischen Trusts: der Standard Oil Company, des Anthrazit-, Zucker-, Stahl-, Whisky- (lies Uiski, amerikanischer Branntwein) und Tauwerkkartells und einer Reihe kleinerer; zum Schluß formuliert er seine allgemeinen Betrachtungen über Ursachen, Wirkungen und Zukunft der Kartelle.

Das wichtigste Ergebnis der Untersuchung Rousiers´ ist, daß bei der überraschenden Entwicklung, die die Trusts in Nordamerika genommen haben, einige ganz spezielle Faktoren des politischen und ökonomischen Lebens der Vereinigten Staaten stark mitgewirkt haben – in erster Linie der Privatbetrieb der Eisenbahnen. Die von den Eisenbahnkompanien gewährten Tarifbegünstigungen und ihre direkte Mitwirkung in allen Beziehungen waren entscheidend für den Sieg des berühmten Petroleumtrusts über seine unabhängigen Konkurrenten. Diese Mitwirkung der Eisenbahngesellschaften war aber seitens der Standard Oil Co. erworben – durch die Überlassung einer Anzahl ihrer Aktien an die leitenden Mitglieder der Eisenbahngesellschaften, wodurch sie eigentlich zu Mitinhabern und Interessenten der Naphthakompanie wurden. Eine solche Handlungsweise der Eisenbahngesellschaften und die fast unumschränkte Freiheit des Privatbetriebes der Eisenbahnen überhaupt hängen ihrerseits mit der eigenartigen Geschichte der letzteren in Nordamerika, mit den Schwierigkeiten und Gefahren der ersten Unternehmungen dieser Art zusammen, welche die Regierung der Vereinigten Staaten bewogen, fast ohne alle Rückhalte und Beschränkungen Konzessionen für Eisenbahngründungen zu erteilen, weshalb sie heute dem anarchistischen Treiben der Kompanien fast gänzlich machtlos gegenübersteht.

Der zweite äußerst wichtige Faktor, der mit für das Überwuchern der Kartelle die Verantwortlichkeit trägt, ist die protektionistische Zollpolitik der Vereinigten Staaten. Der Industriezweig, dessen Geschichte nicht nur in der nordamerikanischen Union, sondern auch in den europäischen Staaten am drastischsten die Wirkung der Zollpolitik illustriert, ist natürlich – die Zuckerindustrie. Die Existenz des Zuckerkartells hängt so innig mit dem Zollprotektionismus zusammen, daß in Nordamerika jede Zollrevision für

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[1] Paul de Rousiers: Die Arbeiterinnenfrage in England. Mit einem Vorwort von Henri de Tourville. Paris 1895. – Die Trade-Unions in England. Unter Mitarbeit von de Carbonnel, Paris 1897.