Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 298

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Staaten niemals aufzubringen sein, sie werden deshalb zweifellos in kürzester Zeit zu allgemeiner Wehrpflicht und stehendem Heer nach europäischem Muster übergehen, und damit feiert in der Union der regelrechte Militarismus seinen Einzug.

Desgleichen kann der amerikanischen Flotte nicht der heutige bescheidene Umfang belassen werden. Die Vereinigten Staaten sind jetzt gezwungen, ebenso im Stillen wie im Atlantischen Ozean ihre Herrschaft zu behaupten. Sie werden zur Rivalität mit den europäischen Mächten, besonders mit England, geradezu gedrängt, und sie müssen sich demgemäß sehr bald auch eine Flotte ersten Ranges anzuschaffen suchen. Mit der Weltpolitik ziehen also in Nordamerika ihre unzertrennlichen Kinder, das Zwillingspaar Militarismus und Marinismus, ein. Die Zukunft der Vereinigten Staaten liegt nun auch „auf dem Wasser“, und das große Wasser der fernen Ozeane sieht trübe aus.

Allein nicht nur die militärische Organisation, auch das innere politische, auch das ökonomische Leben des amerikanischen Volkes wird durch die Folgen des Krieges aufs tiefste beeinflußt. Entweder werden die neu erworbenen Länder der Union nicht als gleichberechtigte Teile angegliedert. Dann verwandeln sich die auf demokratischer Grundlage aufgebauten Vereinigten Staaten in einen Herrscherstaat. In welcher Weise die Herrschaft aber ausgeübt wird, davon haben wir ein kleines Beispiel aus der Zeit der ersten Jahre nach dem Sezessionskriege, wo die Südstaaten durch die Nordstaaten regiert wurden und wo sie einem rücksichtslosen Regiment der carpet-baggers (Plünderer) preisgegeben waren. Wie verderblich die Herrschaft über fremde Länder, wenn sie auch menschlicher ausgeübt wird, auf ein demokratisches Land einwirken muß, wie dann die Grundlagen der Demokratie allmählich untergraben werden und einer politischen Korruption Platz machen, braucht nicht näher ausgeführt zu werden.

Oder aber es werden die neuen Länder der Union angliedert und im Kongreß als gleichberechtigte vertreten. Welche Folgen dann der Zufluß eines so grundverschiedenen Stromes in das politische Leben des amerikanischen Volkes erzeugen wird, das mögen die Götter wissen. Die Frage kann sich alsdann leicht gestalten, wie der ehemalige Schatzsekretär Clevelands, Carlisle, in „Harper´s Magazine“ schreibt, nicht, was werden wir mit den Philippinen, sondern, was werden die Philippinen mit uns machen?

Noch eine wichtige Frage taucht im letzteren Falle auf. Werden die Einwohner der Philippinen als gleichberechtigte Bürger der Union behan-

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