Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 297

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schen Lärm, aus den verborgensten Winkeln und Strümpfen in die Tresors des Kriegs- und Marineministeriums. So sind es denn eigentlich direkt die arbeitenden Klassen und das Kleinbürgertum, die die Zeche aus eigener Tasche bezahlt haben.

Aber die Kosten eines Krieges bloß an dem für das Kriegführen verausgabten Gelde messen hieße die Elle eines Kleinkrämers an große geschichtliche Ereignisse anlegen. Die eigentliche Rechnung für den Sieg über Spanien wird die Union erst zu begleichen haben, und sie wird jene erste um ein gewaltiges übertreffen.

Mit der Erwerbung der Philippinen hörten die Vereinigten Staaten auf, eine bloß amerikanische Macht zu sein, sie sind zu einer Weltmacht geworden. Die Defensivlosung der Monroe-Doktrin[1] macht Platz einer offensiven Weltpolitik, einer Politik der Annexion in fremden Weltteilen. Dies bedeutet aber eine gründliche Umwälzung der ganzen auswärtigen Politik der Union. Während sie bis jetzt bloß ihre amerikanischen Interessen zu verteidigen hatte, hat sie nun Interessen in Asien, in China, in Australien, wird in politische Konflikte mit England, Rußland, Deutschland gestürzt, in alle wichtigen Weltangelegenheiten mit verwickelt, den Gefahren weiterer Kriege ausgesetzt. Die Ara der ruhigen inneren Entwicklung ist nun dahin, ein neues Blatt, auf das die Geschichte die unerwartetsten und bizarrsten Dinge schreiben kann, wird eröffnet.

Um die Herrschaft über die neu erworbenen Länder aber zu behaupten, muß die nordamerikanische Union schon jetzt eine gründliche Reorganisation ihrer inneren materiellen Verfassung vornehmen. Bis jetzt besaß sie eine sehr kleine Armee (30 000 Mann: 12 000 Infanterie, 6 000 Kavallerie, 4 000 Artillerie, 8 000 Beamte und 60 Batterien) und eine untergeordnete Flotte (81 Fahrzeuge mit 230 000 Tonnen Gehalt, 18 Admiralen, 703 Offizieren, 12 000 Matrosen, 750 Schiffsjungen).

Nun muß eine gewaltige Vergrößerung der Armee zu Lande und zu Wasser vorgenommen werden. In Kuba und Puerto Rico wird die Union mindestens 40 000-50 000 Mann Schutztruppen und mindestens ebensoviel in den Philippinen halten müssen. Kurz, die ständige Armee wird sicher auf 150 000, wenn nicht auf volle 200 000 Mann erhöht werden müssen. Ein solches Heer wird aber bei dem bisherigen System der Vereinigten

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[1] Grundsatzerklärung des amerikanischen Präsidenten James Monroe vom 2. Februar 1823, wonach einerseits keiner europäischen Macht die Einmischung in Streitigkeiten zwischen amerikanischen Staaten bzw. die Eroberung amerikanischen Gebiets gestattet wird, andererseits die USA sich nicht in europäische Angelegenheiten einmischen würden. Damit suchten sich die USA den gesamten amerikanischen Kontinent als ihre künftige Einflußsphäre zu sichern.