Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 204

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Nach eingehender Prüfung der Ergebnisse des asiatischen Handels Rußlands kommt das Organ des Finanzministeriums auch zu folgendem Schluß: „Die charakteristischen Züge der slavischen (will hier heißen: russischen) nicht kommerziellen Rasse und die absolute Apathie und Trägheit des Moskauer Unternehmertums kommen zum Ausdruck ebenso kraß wie vollkommen in unserem Handel mit Mittelasien.“[1] Fast in den gleichen Worten formulieren auch andere Blätter verschiedener Richtungen – die „Nowosti“, „Nowoje Wremja“, „St: Petersburger Nachrichten“ u. a. – die Ursachen des Mißerfolges des russischen Absatzes im Osten.[2] Und neulich kommt wiederum das Organ des Finanzministeriums auf das gleiche Thema zu sprechen: „Nur Persien“, schreibt es im Januar 1897, „kann als Absatzmarkt für die Erzeugnisse unserer Baumwollindustrie gelten; die Versuche, für uns die chinesischen und mittelasiatischen Märkte zu erobern, können bis jetzt nicht als gelungen betrachtet werden, und daran ist zum Teil die Unfähigkeit, uns den Anforderungen und Gewohnheiten der Abnehmer anzupassen, vor allem aber der Umstand schuld, daß unsere Unternehmer es vorläufig noch zu gut zu Hause haben, um sich um auswärtige Absatzmärkte kümmern zu wollen.“[3]

So erscheint das ganze Wesen des Moskauer Unternehmertums und besonders sein Bestreben, sich durch allerlei künstliche chinesische Mauern in einer privilegierten Stellung zu erhalten, als mit der heutigen Tendenz der russischen auswärtigen Politik unvereinbar und ihr direkt zuwiderlaufend. Es ist klar, daß das wirksamste Mittel gegen alle Trägheit Moskaus und seine Praktiken im Handel ebenso wie gegen die technische Zurückgebliebenheit der Übergang Rußlands zu einer liberaleren Zollpolitik wäre, die den Moskauer Rayon aus der Treibhausatmosphäre des Monopols reißen und im eigenen Lande der fremden Konkurrenz aussetzen würde. Es scheint uns auch keinem Zweifel zu unterliegen, daß einerseits die Interessen des Absolutismus in Asien, andererseits die Ausdehnung der kapitalistischen Landwirtschaft und die Interessen des Grundbesitzes Rußland über kurz oder lang auf die Bahn einer gemäßigteren Zollpolitik drängen werden. Vor allem aber kann nur auf einem Wege Abhilfe geschaffen werden, nämlich durch die Verschärfung der Konkurrenz innerhalb der russischen Zollgrenzen, d. h. dadurch, daß man Moskau der unbeschränkten Konkurrenz der fortschrittlichen Industrierayons

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[1] Der Finanzbote, Nr. 44 vom 11. November 1894. [Fußnote im Original]

[2] So schreibt das Blatt „Sibir“ vom 20. Januar 1897: „Geschützt durch fast prohibitive Zölle und allerlei staatliche Maßnahmen, verspüren die apathischen Moskauer Unternehmer kein Bedürfnis nach neuen Absatzmärkten.“ [Fußnote im Original]

[3] Der Finanzbote, Nr. 52 vom 10. Januar 1897. [Fußnote im Original]