Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 203

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gewinne zu erzielen. Steht weder das eine noch das andere in Aussicht, so beantwortet der Moskauer Fabrikant etwa einlaufende Bestellungen von auswärts mit hartnäckigem Schweigen.

Dieser Handelsmodus tritt in den Beziehungen mit Asien deutlich zutage. So war z. B. der 1890 und 1891 nach Buchara und Chiwa massenhaft importierte russische Kattun in einer Weise angefertigt, daß er von den Muselmännern viel weniger für Bekleidungszwecke als zum Färben der Neujahrseier verwendet werden konnte. In den folgenden Jahren wandte sich die Bevölkerung selbstverständlich wieder den englischen Erzeugnissen zu, und dies ist die Ursache, welche mehr noch als die Choleraepidemie und die Mißernte den jähen Fall der russischen Einfuhr in Mittelasien in den Jahren 1892 und 1893 nach sich zog.[1] Ebenso bezeichnend ist die Geschichte des Zuckerhandels mit Asien. Solange beim Export des Zuckers die Akzise rückvergütet wurde, nahm die Ausfuhr desselben nach Persien und Buchara rapid zu; als die Rückvergütung suspendiert wurde, erschien das Geschäft den Russen nunmehr zwecklos, und die Ausfuhr sank plötzlich von 1 047 996 Pud im Jahre 1891 auf 516 021 Pud im Jahre 1892 und auf 150 128 im Jahre 1893.[2] Eine andere interessante Seite des kommerziellen Geistes der Moskauer offenbart sich in ihrem Handel mit Sibirien, wo sie es fertigbringen, zuerst Reisende mit Mustern behufs Gewinnung von Bestellungen auszuschicken und sich nachher zu weigern, diese Bestellungen nach den eigenen Mustern auszuführen.[3] Endlich kommt die Rührigkeit der Moskauer wohl am grellsten in ihrem Verkehr mit China zum Vorschein, indem sie, von dort mit Bitten um Anknüpfung von Handelsbeziehungen angegangen, diese Zumutung stillschweigend zurückweisen.[4]

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[1] Der Finanzbote, Nr. 44 vom 11. November 1894. [Fußnote im Original]

[2] Wie von der Regierung konstatiert wurde, machten viele Zuckerpartien bloß zum Schein den Weg nach Mittelasien, um die Akzise rückerstattet zu bekommen und, die mangelhafte Grenzbewachung benutzend, unvermerkt „nach dem Vaterlande“ zurückzukehren. Manche Sendungen mochten die einträgliche Reise mehrmals gemacht haben, bevor sie wirklich in Persien zum Verkauf gelangten. Dies bewog auch die Regierung zur zeitweiligen Suspension der Rückerstattung der Akzise und zur Reorganisierung der Grenzbewachung. (Der Finanzbote, Nr. 15 vom 25. April 1897.) [Fußnote im Original]

[3] „Einige Moskauer Fabriken haben sich endlich entschlossen, in ihren Beziehungen mit Sibirien das System der Commis voyageure anzuwenden, aber dank unserer Plumpheit entstehen daraus einstweilen mehr Konfusion und Mißverständnisse als Nutzen. Im Sommer hat die Firma Konschin ihre Commis mit Warenmustern nach Sibirien geschickt, und unlängst erhielt sie auch zwei Bestellungen aus Wladiwostok, die Firma schlägt es aber schon ab, dieselben genau auszuführen, da sie nicht mehr imstande sei, die Ware nach dem Muster zu liefern.“ (Sibir vom 8./20. Januar 1897.) [Fußnote im Original]

[4] Die Firma Pjotr Wereschtschagin & Co. in Hankou, welche beabsichtigte, sich ausschließlich dem Absatz russischer Waren in China zu widmen, hat sich noch am 6. September (1896) an 14 Moskauer Fabrikanten mit der Bitte um Muster und überhaupt um Anknüpfung von Beziehungen gewendet, aber bis dato (Januar 1897) hat ihr nur ein einziger Antwort gegeben.“ (I. c.) [Fußnote im Original]