Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 195

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Polen erlassen wurden, den „eisernen Fonds“ zur Unterstützung der Industrie, die Gründung der mit allen denkbaren Privilegien ausgestatteten Polnischen Bank etc. etc.

Die Politik wurde aufs energischste in der späteren Zeit aufrechterhalten, noch zur Zeit Nikolaus’ I. sehen wir die russische Regierung neue Verordnungen in derselben Richtung erlassen. Nichts wurde unterlassen, was das adelige, rebellische Polen in ein kapitalistisches, zahmes Polen verwandeln konnte. Und die polnische Bourgeoisie zeigte, daß sie ein dankbares Herz besitzt, denn nie hörte sie auf, die nationalen Regungen in Polen nach Kräften zu durchkreuzen und zu verraten, wofür namentlich ihre schmachvolle Haltung in den polnischen Aufständen genügend Zeugnis ablegt. Den wichtigsten Markstein in dieser Richtung der russischen Politik bildete die Abschaffung der russisch-polnischen Zollgrenze im Jahre 1851. Ein mit den einschlägigen Archiven der russischen Regierung durchaus vertrauter Historiker und der beste Kenner der Geschichte des russischen Zolltarifs, der Russe Lodyshenski, schreibt darüber:

„Die Aufhebung der Zollinie zwischen dem Reiche und dem Königreiche wurde hauptsächlich durch Motive politischen Charakters hervorgerufen. Bekanntlich begann in den vierziger Jahren dieses Jahrhunderts in Europa eine geistige Gärung teils nationalen, teils sozialistischen Charakters. Diese Gärung, welche sich auch der Bevölkerung Russisch-Polens mitgeteilt hatte, beunruhigte bis zu einem gewissen Grade die russische Regierung und bewog sie, nach Mitteln zu suchen, um Polen möglichst fest mit Rußland zu vereinigen. Eine der Hauptursachen, welche die Annäherung der beiden Länder verhinderten, war ihre ökonomische Absonderung.“[1] Um also diese „Absonderung“ zu beseitigen, um Polen durch die materiellen Interessen seiner Bourgeoisie an Rußland zu fesseln, wurde die Zollgrenze abgeschafft. Auf demselben Standpunkte steht die russische Regierung auch noch heute und begrüßt immer noch den wachsenden polnischen Absatz in Rußland als diejenige Kette, die das annektierte Land am festesten an das Reich schmiedet. So schreibt Mendelejew in seinem Vorwort zum offiziellen Bericht über die russische Industrie zur Chicagoer Weltausstellung vom Jahre 1893: „Die Erzeugnisse dieser und vieler anderer polnischer Fabriken finden einen stets wachsenden Absatz in ganz Rußland. Auf dem Wege des Wettkampfes dieses Industrierayons mit dem Moskauer Rayon wird einerseits der Grundzweck der protektionistischen Politik Rußlands, anderseits diejenige Assimilierung Polens mit Rußland erreicht, welche den friedlichen Absichten des russischen Volkes

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[1] l. c. S. 245. [Fußnote im Original]