Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 162

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die sog. „Reste“ eigentlich das Haupt-, die Naphtha dagegen das Nebenprodukt. Die Abnormität dieser Erscheinung kommt auch in der Qualität des Produktes selbst zum Vorschein. Die solcherweise gewonnenen „Reste“ explodieren schon bei 50 °, 40 ° und sogar 30 °C, während die normale Explosionstemperatur bei wirklichen Naphtharesten nicht niedriger als 140-120 ° C sein darf. Daher auch die kostspieligen Folgen der billigen Heizung: im Laufe der Jahre 1893 und 1894 wurden 20 Fahrzeuge der Astrachan-Dampfschiffgesellschaft, die mit „Resten“ heizte, durch Feuersbrunst vernichtet.[1] Eine andere Unzuträglichkeit der Naphthaheizung ist die, daß diese Reste infolge ihrer chemischen Zusammensetzung zur Erzeugung eines bestimmten Heizeffektes tatsächlich in viel größeren Quantitäten verbraucht werden, als es bei wirklichen Naphtharesten hätte der Fall sein sollen. Der Mehrverbrauch an „Resten“ beläuft sich manchmal auf 40%[2] und wurde von der Verwaltung der Eisenbahnlinie Petersburg–Moskau als ständige Erscheinung konstatiert. Dies macht den wichtigsten Vorteil der Naphthaheizung – ihre Billigkeit – zum großen Teil ganz illusorisch. Hie und da fängt man auch bereits an, vom Gebrauch der Naphthareste Abstand zu nehmen, so die russischen Süd-Ostbahnen, die neulich zur Steinkohle zurückgekehrt sind. Freilich wird der Konsum der Naphthareste in dem zentralen Industrierayon, besonders infolge der Überproduktion und der niedrigen Preise derselben, in den nächsten Jahren noch eher zu- als abnehmen. Bei der jetzigen Rührigkeit der russischen Regierung in der Beförderung des Kapitalismus und in der Beseitigung aller Hindernisse aus seinem Wege wird jedoch auch der Naphthagebrauch bald auf seine rationellen Zwecke und die Fabriken auf die Holz- und Kohlenheizung reduziert werden. Im letzteren Falle bleiben aber die Vorteile Polens in voller Kraft, denn „im allgemeinen ist das Heizmaterial in Polen die Hälfte so teuer wie in Moskau“[3].

2. Arbeitskraft. Dieser Faktor der industriellen Tätigkeit wird gewöhnlich zum Beweis dafür angeführt, daß Polen in ungünstigere Bedingungen gestellt sei als Rußland, weil es einen teureren Arbeiter als das letztere habe.[4] Die Arbeitslöhne sind in der Tat in Polen bedeutend höher als in Rußland, und zwar in der[5]:

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[1] Der Finanzbote, Nr. 21 vom 2. Juni 1895. [Fußnote im Original]

[2] R. Michailow: Die Untersuchung der Naphthareste. In: Mitteilungen der Technologischen Gesellschaft, 1898, Nr. 1. [Fußnote im Original]

[3] Berichte der Kommission zur Untersuchung …, I, S. 35. [Fußnote im Original]

[4] „Dabei stehen die Wochenlöhne in Polen höher als in Rußland … Der Arbeitstag ist in Moskau um so viel länger“ etc. (Schulze-Gävernitz, l. c., S. 359.) Desgl.: Die industrielle Politik Rußlands in dessen polnischen Provinzen. In: Neue Zeit, 1893/94, Bd. II, S. 791. [Fußnote im Original]

[5] Berichte der Kommission zur Untersuchung …, I, S. 39. [Fußnote im Original]