Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 144

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jedoch bis zu den fünfziger Jahren nur als ‘ein Nebenzweig der Landwirtschaft in kleinen Dimensionen oft von Grundbesitzern selbst betrieben. Die Produktion der im Jahre 1848 tätigen 31 Betriebe übersteigt nicht 177 500 Pud, was nicht mehr als 5 000 bis 6 000 Pud pro Fabrik ergibt. Die größte Zahl der Zuckerfabriken weist das Jahr 1854 auf, wo es 55 Betriebe gab.[1] Seit der Aufhebung der Frondienste und der Umwälzung in der Landwirtschaft trennte sich die Zuckerproduktion von der Agrikultur und wurde zu einem selbständigen Industriezweig. Die Zahl der Etablissements verringerte sich allmählich bei gleichzeitiger Konzentration der Produktion. Im Jahre 1870 finden wir nur noch 41 Zuckerfabriken mit 1,2 Millionen Pud jährlicher Produktion. Eine wahre Revolution in der Zuckerindustrie wurde aber erst in den siebziger Jahren durch die Steuer- und Zollpolitik der russischen Regierung herbeigeführt. 1867 wurde nämlich das besondere System der Zuckerbesteuerung, welches bis dahin in Polen Geltung hatte, aufgehoben und durch das reichsrussische ersetzt. Das letztere beruhte auf der Besteuerung nicht des effektiv hergestellten fertigen Produktes, sondern derjenigen Menge desselben, welche gemäß der als Norm gesetzten Produktivität der Preßapparate in jeder Fabrik voraussichtlich hergestellt werden sollte. Die Zuckersteuer in dieser Gestalt wurde selbstverständlich in hohem Maße zum Stachel der Vervollkommnung der Produktion; sie bewog bald alle Zuckerfabriken zur Einführung der Diffusionsmethode, welche die Produktivität dermaßen über die zur Basis der Besteuerung genommene Norm hinaustrieb, daß die nominelle Steuer von 80 Kopeken in Wirklichkeit 35 und sogar nur 20 Kopeken per Pud ausmachte.[2] 1876 wurde noch zur Aufmunterung der Zuckerausfuhr die Rückvergütung der Akzise vom exportierten Zucker angeordnet, was angesichts der obigen Verhältnisse wiederum einer kolossalen Ausfuhrprämie gleichkam. Dies war wiederum ein Stachel zu einer fieberhaften Vervollkommnung der Betriebsmethoden und zur Erweiterung der Produktion. In wenigen Jahren hat sich auch die Zuckerindustrie in Rußland und in Polen in eine Großindustrie verwandelt. Während Rußland im Jahre 1874 nur 4 Pud Zucker ausgeführt hatte, betrug der Zuckerexport schon 1877 3 896 902 Pud, für welche die Regierung freilich 3 Millionen Rubel – die Hälfte der ganzen im Reiche erhobenen Zuckerakzise – „rückerstatten“ mußte.[3] Sie schritt denn auch schon 1881 zur gründlichen Reform in der Besteuerung der Zuckerindustrie, inzwischen war aber letztere auf sehr

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[1] Landwirtschaftliche Encyclopädie, Bd. II, S. 530 ff. [Fußnote im Original]

[2] Die Fabrikindustrie Rußlands, XIII, S. 6–7. [Fußnote im Original]

[3] l. c., S. 7. [Fußnote im Original]