Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 817

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-<sammen. Ob Protestanten, ob Katholiken, ob Juden – uns gegenüber sind sie alle gleich, ebenso wie die preußische Regierung, die uns entnationalisiert.

Das ist auch nicht weiter verwunderlich. Solche Leute wie der Adel, die Industriellen, die Kapitalisten kennen in der Politik nur ein Ziel – den Geldprofit, ihr Götze ist das goldene Kalb und ihr Glaube die Ausbeutung. Alle anderen Losungen und Phrasen, die ihre verschiedenen Parteien verkünden, wie „Patriotismus“, „katholischer Glaube“, „Freisinn“, „Antisemitismus“, „Fortschritt“, das sind nur Mäntelchen von verschiedener Farbe und Form, hinter denen sich immer ein und dasselbe Ziel verbirgt: Gewinnsucht und Gier nach Bereicherung. Wenn die preußischen Konservativen und Freisinnigen so glühende deutsche Patrioten sind und die Polen gewaltsam in Deutsche umwandeln wollen, so geschieht das aus keinem anderen Grunde als dem, weil das Germanisierungs“geschäft“ nach Gewinn riecht. Ist das denn nicht angenehm für das deutsche Bürgertum, daß es Tausende seiner Söhnchen in einkömmlichen Stellungen im Posenschen als Beamte, Lehrer, Zeitungsschreiberlinge, Kaufleute und Handwerker unterbringen und endlich einen Teil seiner Bauern mit polnischem Boden satt machen kann? Alles dies wäre verloren, müßte in polnischen Händen bleiben, wenn nicht die Notwendigkeit erfunden worden wäre, die Polen einzudeutschen. Es lebe also das liebe „deutsche Vaterland“, welches sich auch diesmal als Milchkuh benutzen ließ, und los auf die Polen!

Wenn sich der deutsche Patriotismus aber einmal nicht auszahlt, so drehen sich dieselben preußischen Konservativen sofort wie eine Wetterfahne im Wind. So ist zum Beispiel bekannt, daß die deutschen Bauernknechte in Scharen aus Preußen nach dem Westen, in die Industriestädte fliehen, da sie auf den preußischen Gütern nicht mehr Hunger und Prügel dulden wollen. Aber der arme polnische Bauernknecht von jenseits der Grenze, aus dem Königreich Polen, ist mit allem einverstanden, ist unwissend und deshalb sanft wie ein Lamm. Und dieselben deutschen Magnaten, die in Preußen jede Spur des Polentums so sehr beseitigen wollen und jeden Augenblick „lieb Vaterland“ im Munde haben, lassen zu Tausenden polnische Bauernknechte aus dem Königreich kommen, weil sie billiger und dümmer sind, weil sie sich leichter das Fell über die Ohren ziehen lassen und über die Peitsche nicht böse sind. Wenn also die Ausrottung des Polentums lohnt, dann hoch der Hakatismus! Ist aber die Verbreitung des Polentums für das Gut nötig, so möge der dumme polnische Knecht gegrüßt sein! Wenn nur der Profit fließt!

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