Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 749

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Freiwilligen dürfen gesetzlich nur „im Falle einer stattgefundenen feindlichen Invasion oder wenn der Feind in großer Zahl an den Küsten des Vereinigten Königreichs erschienen ist“, herangezogen werden.

Der Grundcharakter der englischen Militärorganisation ist aus den obigen Gesetzesbestimmungen ganz klar: Sie ist ausschließlich zur nationalen Defensive, zur Verteidigung des Vereinigten Königreichs bestimmt. Und zwar sind hierfür die drei Gruppen der Streitkräfte nicht gleichzeitig, sondern der Reihe nach, gemäß dem Grad der nationalen Gefahr, ausersehen; in erster Linie die stehende Armee, dann im Notfall die Miliz und in der äußersten Gefahr als letzte Reserve die Freiwilligen. Denselben Charakter der nationalen Defensive bestätigt zum Überfluß noch das Verbot, von der stehenden Armee mehr als einen Teil und die Miliz sowie die Freiwilligen überhaupt außerhalb des britischen Königreichs zu verwenden.

Es ist klar, daß eine solche militärische Verfassung zu Angriffskriegen und imperialistischen Abenteuern recht ungeeignet erscheint. Der gegenwärtige Krieg mit den Buren führte denn auch gleich zum Bruch mit dem geltenden englischen Gesetz über die Militärkräfte. Nicht nur hat die englische Regierung ungesetzlich das gesamte stehende Heer des Königreichs nach Afrika geschickt, sondern obendrein auch den doppelten Gesetzesbruch begangen, sowohl die Miliz wie die Freiwilligen ohne höchste nationale Gefahr und außerhalb des Königreichs zum Kriegsdienst heranzuziehen.

Der Gesetzesbruch bestand hier offenbar darin, daß die Streitkräfte, die bloß zur Abwehr einer feindlichen Invasion auf den britischen Inseln bestimmt waren, zum Angriff auf eine fremde Nation, zu imperialistischen Zwecken gebraucht wurden. Die Bill des Kriegsministers ist nun der erste Versuch, die englische Militärpraxis mit den Gesetzesbestimmungen in Einklang zu bringen, und zwar – indem die alten Gesetze abgeändert und der imperialistischen Praxis angepaßt werden.

Nach dem Gesetzentwurf der Regierung soll die Einberufung der Freiwilligen nun nicht bloß in Fällen der geschehenen oder erwarteten feindlichen Invasion, sondern auch in Fällen internationaler Verwicklungen zulässig sein. Aber damit nicht genug, soll den Militärbehörden gestattet sein, mit den Freiwilligen Verträge abzuschließen, wonach diese jederzeit zum Kriegsdienst inner- und außerhalb des Reichs eingezogen werden können. Dabei wird die Militärbehörde ermächtigt, je einen Teil der Freiwilligenarmee einzuberufen ohne gleichzeitig den Appell an das ganze Volunteer Corps zu richten.

In ihrer Gesamtheit bedeuten die angeführten Reformen einen gänz-

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