Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 73

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vom heutigen Standpunkt „ein Dienst wider Willen dem ‚Hort des europäischen Absolutismus‘“ ist, das scheint mir ganz zweifellos. Liebknecht und russenfreundliche Politik! – Das klingt wie ein schlechter Scherz. Aber solche schlechten Scherze weiß einem die Geschichte zu machen, denn es ist wiederum „jedem Abc-Schützen des Sozialismus klar“, daß mit der Zeit „Vernunft wird Unsinn, Wohltat – Plage“.

Genosse Liebknecht gibt mir am Ende zu verstehen, daß ich, indem ich mich mit der orientalischen Frage befaßt habe, gewissermaßen in seine Domäne eingedrungen bin und daß ich besser täte, mich nur mit den Greueln in Polen zu beschäftigen. Dies wäre jedenfalls eine neue, den Geschichtsschreibern bis jetzt unbekannte fatale Folge des Krimkrieges, daß in den Sachen, in welchen Genosse Liebknecht zu Zeiten desselben sich eine Meinung gemacht, keine Seele mehr den Mund auftun darf. Am allerwenigsten ist aber eine so strenge „Teilung der Gewalten“ beim Genossen Liebknecht angebracht, der ja gerade uns polnischen Sozialdemokraten so arg in die Suppe gespuckt hat, indem er mit Redensarten aus der Zeit des Krimkrieges dem polnischen Nationalismus Vorschub leistete und so in einer unter polnischen Sozialisten strittigen Frage Partei ergriff, die er weder aus eigener noch aus fremder Anschauung, weder aus der Gladstoneschen noch aus einer anderen Presse kennt.

Sächsische Arbeiter-Zeitung (Dresden),
Nr. 273 vom 25. November 1896.

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