Stadt Posen an, auch in der Provinz eine rege agitatorisch-organisatorische Tätigkeit zu entfalten, daß dies ganz ohne periodische Parteiliteratur schwerlich gehen kann, wird jedermann einsehen.
Außer Posen, Stadt und Provinz, bleibt aber noch die zahlreiche polnische Arbeitermasse in Rheinland-Westfalen, auf die man wirken muß. Bei der nationalen Färbung dieser Elemente, bei ihrer schwachen gewerkschaftlichen Organisation und dem Fehlen einer öffentlichen mündlichen Agitation ist ein polnisches Agitationsblatt hier unentbehrlich. Allerdings hat die „Gazeta Robotnicza“ bis jetzt wenig in dieser Gegend geleistet, das hat sie aber auch in Oberschlesien. Es kommt darauf an, was sie leisten kann und soll, und dies könnte sie in dem Dortmunder Revier als oberschlesisches Lokalblatt schwerlich.
Das Projekt ist aber auch von allgemeinen Standpunkten verfehlt. Man muß sich, wenn man das Wesen selbst der sozialdemokratischen Presse in Betracht zieht, von vornherein sagen, daß ein sozialdemokratisches Blatt nie in dem Sinne und Maße Lokalblatt werden kann wie die bürgerlichen Lokalblätter. Das, was zum Beispiel insbesondere den Beuthener „Katolik“ und die übrige Zentrumspresse in Oberschlesien zu wirklichen Lokalblättern macht, ist für ein sozialdemokratisches Organ ganz unerreichbar oder vielmehr unanwendbar. Denn diese spezifische Lokalfärbung des „Katolik“ und seiner Brüder, die ihnen unstreitig so großen Einfluß sichert, ist nichts anderes als die spezifisch oberschlesische Beschränktheit.
Jeder aufmerksame Leser der dortigen Zentrumspresse muß sehr schnell hinter dieses Geheimnis gekommen sein. Als Leitartikel regelmäßig die Lebensbeschreibung des fälligen Kalenderheiligen oder eine kirchliche Begebenheit, im lokalen Teil Nachrichten von den Vereinen aller Heiligen, die in Oberschlesien existieren, und von allen Bränden, Selbstmorden, Diebstählen der Gegend, endlich im Feuilleton ein unter jeder Kritik stehender Schauerroman – immer mit religiöser Färbung. Das sind die Blätter, die dem geistigen Niveau des Durchschnittsoberschlesiers vollkommen entsprechen und daher ihre große Verbreitung.
Ein sozialdemokratisches Blatt muß schon deshalb, weil es die Aufgabe hat, den Leser über die allgemeinen Grundlagen des Kapitalismus aufzuklären, in jedem Einzelfall allgemeine, breite Gesichtspunkte herauszukehren, einen viel allgemeineren Charakter tragen als die bürgerliche Presse. Der „Vorwärts“ kann z. B. nie, auch nicht in seiner Berliner Beilage, zu einem so echten lokalen Berliner Blatt werden wie die „Berliner Morgenpost“ oder der „Berliner Lokal-Anzeiger“. Und wollte er es, dann würde er bald aufhören, ein sozialdemokratisches Organ zu sein.