Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 707

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schritt), letzterer mit der näheren Bezeichnung: Das einzige Blatt gegen die Juden, sind vollkommen kleinbürgerlichen Charakters und beehren die Sozialdemokratie bei jeder Gelegenheit mit weidlichen Schimpfereien. Da sie aber finanziell zu 4/5 auf die Leser aus Handwerkerkreisen angewiesen sind, so sehen sie sich durch die gegenwärtige gewerkschaftliche Bewegung gerade in diesen Kreisen in eine höchst drollige Lage versetzt. Im Grunde genommen ist ihnen diese ganze Bewegung verhaßt, um es aber nicht mit den Abonnenten zu verderben, nehmen sie Anzeigen gewerkschaftlicher Versammlungen und auch Einsendungen aus Arbeiterkreisen auf, wobei sie von sich aus nur schüchterne kritische Bemerkungen hinzufügen. So brachte zum Beispiel der „Postẹp“ vom 24. März einen eingesandten energischen Artikel aus den Arbeiterkreisen, der die Schuster zum Eintritt in den Verband aufforderte; zum Schluß folgte eine Bemerkung der Redaktion dieses Inhalts: „Wir haben nichts gegen die Organisation der Handwerker, aber die deutschen Organisationen das sind Nester des Sozialismus, und deshalb unterstützen wir die deutschen Organisationen nicht, weil diese dem Handwerker nicht helfen, sondern zwei Kasten schaffen: Kapitalisten und Sozialdemokraten.“

Selbstverständlich wird auch die erzwungene Unterstützung der Gewerkschaften durch diese kleinbürgerliche Presse nicht lange dauern, und das wird die Frage der Schaffung einer eigenen polnischen Fachpresse in Posen noch brennender machen. Was der so erfreulich sich entfaltenden Bewegung der polnischen Arbeiterschaft „bitter not tut“, ist – nicht etwa die Verdoppelung der deutschen Schlachtflotte, wohl aber ein polnisches Gewerkschaftsblatt. Bis jetzt ist fast die ganze Organisations- und Aufklärungsarbeit in Posen wie in Oberschlesien auf die mündliche Agitation gestellt. Daß dies angesichts der Unmöglichkeit, wie in Oberschlesien, oder der schwachen Möglichkeit, wie in Posen, öffentliche Versammlungen abzuhalten, ein ganz und gar ungenügendes Mittel ist, liegt auf der Hand. Das einzige polnische Arbeiterblatt in Deutschland, die „Gazeta Robotnicza“, könnte auch dann, wenn sie die gewerkschaftliche Bewegung viel mehr als bis jetzt berücksichtigte, nicht die Aufgabe erfüllen, aus dem einfachen Grunde, weil ein offizielles sozialdemokratisches Organ nicht den Zutritt zu den noch halbfertigen Arbeitermassen hat wie ein gewerkschaftliches Blatt haben könnte.

Man kann füglich behaupten: Wäre ein gediegen geführtes polnisches Gewerkschaftsblatt da, die Bewegung in Posen und in Oberschlesien würde mit Riesenschritten vorwärtsmarschieren. Die Gärung in den Ar-

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