Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 701

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deinem Strange, so komme ich zu kurz, und rupfst du die Beute ganz allein, so bleibt für mich nicht viel übrig!

Der Bruder Agrarier ist aber so leicht nicht zu verblüffen. Was! ruft er empört dem Schlotjunker zu, du scheinst zu vergessen, daß das ganze Unternehmen auf meinem Willen ruht; wenn du überhaupt an der Beute mitrupfen darfst, so verdankst du es nur mir. Und reize mich ja nicht, sonst könnte mir das das ganze Geschäft verleiden, und ich kehre eines schönen Morgens zum Freihandel zurück!

Man lese nur die agrarischen Blätter, beispielsweise die „Kreuz-Zeitung“, wie sie tagtäglich planmäßig die Drohung wiederholt!

„Stellen die Industriellen sich“, schrieb sie neulich, „unter Hintenansetzung des nationalen Gesichtspunktes, wonach ein wirksamer Schutz der Produktivgewerbe auf gemeinsamer Basis notwendig ist, auf den einseitigen Standpunkt ihrer Interessen, überlassen sie den Konservativen nur das Odium für die ‚verteuernden‘ Schutzzölle und protestieren sie gemeinsam mit Freihändlern und Sozialdemokraten gegen alles, aus dem etwa ein kleiner Vorteil für die Landwirtschaft herausschauen könnte, so werden sie sich schließlich nicht wundern dürfen, wenn die ‚Agrarier‘ aus allen Lagern auch einmal ihren wirtschaftlichen Standpunkt revidieren und sich die Frage vorlegen, ob – unter einseitiger Betrachtung der rein materiellen Seite dieser Sache – die Rückkehr zum reinen Freihandel nicht für die Landwirtschaft vorteilhafter wäre als ein Schutzzoll, der ausschließlich auf die industriellen Interessen zugeschnitten ist. Uns steht, was wir besonders betonen wollen, selbstverständlich der nationale Gesichtspunkt, die gleichmäßige Berücksichtigung aller Produktivzweige in erster Linie; aber man spiele nicht mit dem Feuer und mißachte nicht die Interessensolidarität, wo es sich vielleicht um die Gewinnung kleiner Vorteile für die Landwirtschaft handelt.

Die ‚National-Zeitung‘ meint zwar, der Freihandel sei, ‚praktisch betrachtet‘, heutzutage ‚ein Gespenst‘. Wenn aber die Konservativen sich zu diesem ‚Gespenst‘ bekennen würden, so würde es gar bald Fleisch und Bein annehmen.“

Und bald darauf rief in demselben Blatt mit echt ostelbischer Offenherzigkeit Herr v. Bentzheim: „Wir müssen uns jetzt klarwerden, daß – wenn die Industrie nicht einsehen will, was Lebensbedingung ist für die Landwirtschaft – wir auch nie mehr zu haben sein dürften für die hohen Dividenden und den hohen Schutz zugunsten einer – an und für sich erfreulichen – Blüte der Industrie. Wenn nicht – dann Freihandel allewege, auch wenn´s ein nationaler Unsinn ist.“

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