Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 697

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den, die Deutschland seinerseits einem vertragswilligen Staate gewähren darf.

Wie rührend sieht hier die Fürsorge der Agrarier für „Vereinfachung“ der Handelsvertragsschließung und für Vermeidung von Zollkriegen aus! Aber hören wir weiter, was sich die neuen Freunde des internationalen Zollfriedens von ihrem Plan versprechen.

„Die großen Vorteile dieses doppelten Zolltarifsystems“, schreibt die „Kreuz-Zeitung“, „liegen auf der Hand. Zunächst werden für die Reichsregierung die Verhandlungen mit den anderen Staaten wesentlich vereinfacht. Mindestens entfällt für die Reichsregierung die Notwendigkeit, über die Bemessung einzelner Zollsätze auch noch mit anderen Staaten umständliche Verhandlungen zu führen. Ferner wird der Volksvertretung durch dieses System ein größerer Einfluß auf neue Handelsvertragsverhandlungen gesichert. Denn bisher war dieser Einfluß bedenklich gering. Die Reichsregierung schloß mit anderen Staaten vorläufige Verträge ab, bewilligte ihnen eine größere oder kleinere Zahl von Zollermäßigungen und legte dann der Volksvertretung diese Verträge vor, die im einzelnen nicht mehr abzuändern waren, à prendre ou à laisser (annehmen oder ablehnen). Bei dem Vorhandensein eines Maximaltarifs und eines Minimaltarifs wird die Volksvertretung in solche Zwangslage nicht mehr gebracht werden können. Sie wird vielmehr in der Lage sein, bei der Aufstellung des Minimaltarifs im einzelnen genau die Zollsätze zu bestimmen, unter die bei neuen Vertragsverhandlungen mit anderen Staaten die Reichsregierung nicht gehen darf, und sie wird ferner nach freiem Ermessen darüber entscheiden können, mit welchen Staaten auf Grund des Konventionaltarif s Verträge abgeschlossen werden sollen.“

Da liegt der Hund begraben! Die Verhandlungen Deutschlands mit den anderen Handelsstaaten werden auf diesem Wege allerdings „wesentlich vereinfacht“. Wenn die unterste Grenze des Zolltarifs bereits für alle Positionen gesetzlich festgelegt ist, und zwar allen Staaten gegenüber in gleicher Weise, dann kann von „Verhandlungen“ füglich nicht mehr die Rede sein. Eine Anpassung des Zolltarifs an die speziellen Verhältnisse in bezug auf diesen oder jenen Kontrahenten, die Gewährung von weitgehenden Zugeständnissen in einem bestimmten Falle, um dafür wichtige Zugeständnisse in einem anderen Falle für sich zu erkaufen – alles dies wird bei dem festen Konventionaltarif zur Unmöglichkeit.

Im wesentlichen bleibt es dann der Regierung nur übrig, jedem ihrer Kontrahenten zu erklären: Willst du mir die von mir diktierten Zugeständnisse machen, dann biete ich dir den einen fertigen und abgemachten

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