Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 695

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zu weisen. Weich, gütig und äußerst bescheiden, wußte er eine gewaltige geistige Kraft auf seine Umgebung auszuüben. Und dabei war er sogar, wie die ganz reinen und zarten Naturen, etwas schüchtern. Der Zudringlichkeit, der Dreistigkeit wußte er sich nicht zu erwehren. Und das einzige Mal, als er auf Wunsch seiner Freunde einen unwürdigen und zudringlichen Schwätzer zurückwies, kostete es ihn eine sichtliche Mühe. „Ich ... ich ... kann mit Ihnen nichts zu tun haben“, stieß er hervor, tief errötend, die letzten Worte schon hinter der Tür des anderen Zimmers, wohin er sich nach dieser Tat flüchtete.

Zuletzt konnte er eigentlich mit niemand etwas zu tun haben, und er verschwand ganz in seinem Arbeitsstübchen, wo er, verlassen von seiner hochadeligen Familie – nur eine Tochter besuchte ihn zuweilen – und von den sozialistischen Kämpfern, bald von schwerer Krankheit daniedergebeugt, bald über dem Tische tief gebückt, an der Geschichte des menschlichen Gedankens arbeitete, die der Sozialismus krönen sollte.

Leipziger Volkszeitung,

Nr. 33 vom 9. Februar 1900.

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