Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 683

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„Damals hatte England noch wenig Interesse an Afrika, es wäre ein deutsches Südafrika mit leichter Mühe zu schaffen gewesen. Nun ist das Versäumnis auch bei der größten Staatskunst kaum wiedergutzumachen, die Stellung Deutschlands in Südafrika kann unwiderbringlich verloren sein.“

Natürlich hat sich statt unser das „perfide Albion“ in Südafrika eingenistet, das Zululand wurde dann 1887 zur britischen Kronkolonie gemacht. „Welchen Wert hätte heute St-Lucia-Bai für uns!“

„Michel, fallen dir die Schuppen von den Augen, merkst du itzt, daß man dir die besten Suppen vor der Nase wegstibitzt?“ Hätte nämlich Bismarck schon 1874 die Delagoa-Bai sowie die St-Lucia-Bai annektiert und ein deutsches Südafrika gegründet, so hätten wir sicher im Jahre 1898 an den anglo-französischen Händeln um die Delagoa-Bai, die um ein Haar zu einem Krieg geführt hätten, den schönsten Anteil nehmen und gar in einen hübschen Krieg mit England hineingeraten können!

Und wäre uns diese gute Gelegenheit entgangen, so hätte uns wenigstens der Besitz der St-Lucia-Bai sicher den Anteil an dem gegenwärtigen Transvaalkrieg ermöglicht!

So arge Sünden Bismarck nun in der inneren Politik auf seinem staatsmännischen Gewissen hat, er wußte genau, daß eine erste Militärmacht zu Lande und zugleich eine See- und Kolonialmacht ersten Ranges zu sein die Kräfte eines jeden Staates übersteigt. Und er verstand ferner ebensogut die unvermeidlichen Gefahren der Weltpolitik, die Deutschland in allerlei internationale Welthändel verwickeln muß.

Die Kolonialpolitik war für ihn nicht, wie für heutige Wasserpatrioten, Selbstzweck, sondern höchstens ein Notbehelf für den Handel. „Die Flagge folgt dem Handel“, war sein Grundsatz, als er endlich, dem Drängen der kapitalistischen Kolonialinteressenten nachgebend, die Bahn der Weltpolitik durch jenes verhängnisvolle Telegramm vom 24. April 1884 betrat, wodurch das Lüderitzsche Südwestafrika in den Schutz des Reiches genommen wurde.

„Unsere Absicht“, erklärte er am 26. Juni 1884 im Reichstage, „ist nicht, Provinzen zu gründen, sondern kaufmännische Unternehmungen – aber in der höchsten Entwicklung auch solche, die sich eine Souveränität, eine schließlich dem Deutschen Reiche lehnbar bleibende, unter seiner Protektion stehende kaufmännische Souveränität erwerben – zu schützen in ihrer freien Entwicklung sowohl gegen die Angriffe aus der unmittelbaren Nachbarschaft als auch gegen Bedrückung und Schädigung von seiten anderer europäischer Mächte.“

In denselben Anschauungen bewegt sich auch die Instruktion vom

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