Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 680

https://rosaluxemburgwerke.de/buecher/band-1-1/seite/680

abwälzen wollte. Freilich ist das Manöver, womit dies erreicht werden soll, etwas zu plump, um sogar die naivsten unter den Zentrumswählern irrezuführen. Dazu hat die Zentrumspresse selbst zu viel über die verfassungswidrige Umgehung des Bundesrats bei den neuesten Flottenplänen, über die Beeinträchtigung seines Rechts auf Mitwirkung bei den Gesetzesvorlagen Lärm geschlagen. Nachdem die klägliche Rolle des Bundesrats beim letzten Flottenfasching vor der ganzen Welt entblößt wurde, ihm die Verantwortlichkeit für die „politischen, volkswirtschaftlichen und finanziellen“ Konsequenzen der Flottenvermehrung aufbürden zu wollen, dazu gehört denn doch etwas mehr Humor, als bei dem Ernst der Lage sogar der gutmütigste Bierphilister übrig haben wird.

Ebenso durchsichtig ist aber das andere Manöver der Zentrumspresse: das auffällige Hervorheben der Deckungsfrage. Das Zentrum droht der Regierung, daß es für eine Anleihe zum Zwecke der Flottenvermehrung nicht zu haben sein wird. Eine Flotte „auf Pump“ – das widerspreche „einer soliden Finanzpolitik wie der Ehre und Würde des Deutschen Reiches“. Im Grunde genommen ist es, wenn es überhaupt der „Ehre und Würde des Deutschen Reiches“ sowie der „gesunden Finanzpolitik“ nicht widerspricht, die Masse der arbeitenden Reichsbürger über alle Maßen auszupumpen, um einem tollen Weltmachtskoller Genüge zu tun, ziemlich gleichgültig, ob dies in der Form einer „Anleihe“ oder direkt durch Erhöhung der Steuern und Abgaben geschieht. Daß die „Anleihen“ schließlich nicht anders als durch Einnahmen aus indirekten Steuern, das heißt von der breiten Volksmasse, gedeckt werden, ist gerade kein Geheimnis heutzutage.

Wird also die Flottenvorlage einmal bewilligt, so ist Anleihe oder sofortige Erhöhung der Zölle und anderer Lebensmittelsteuern für das Volk eigentlich gehüpft wie gesprungen. Der Vorzug einer direkten Deckung der Marineausgaben vor einer Anleihe zu diesem Zwecke wäre höchstens der, daß in diesem Falle die Schröpfung der Arbeiterklasse wenigstens brutaler, offener, fühlbarer zutage tritt, deshalb empörender, aufreizender wirkt.

Kommt es dem Zentrum etwa auf diese Seite der Frage an? Nein, von einer Anspannung der indirekten Besteuerung zu Marinezwecken will das Zentrum aus zarter Rücksicht auf die „armen Leute“ nichts wissen. Hier hadert es mit den Konservativen und schleudert ihnen ins Gesicht den Vorwurf, „Belastung der breiten Massen der Bevölkerung, auch der ärmsten Leute, Schonung der reichen und reichsten Leute“ durch ihre finanzpolitischen Pläne zu treiben.

Nächste Seite »