Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 669

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meint wenigstens, wenn man die Flottenverstärkung mit dem Schutze der Getreideeinfuhr begründen wolle, könne der deutsche Landwirt sich für den Gedanken nicht erwärmen. Ich denke“, so bemerkte der Redner, „höher von den deutschen Landwirten und meine, sie werden die Wohlfahrt des Ganzen über die eigenen Interessen stellen. Man soll überhaupt die Leitung des Bundes der Landwirte nicht mit dem Bunde als solchem oder gar mit der Landwirtschaft selbst verwechseln.“

Darauf erhielt der nationalliberale Führer von dem Organ des Bundes eine exemplarische Abfuhr. Seine „Redensarten“ wurden „abgebraucht und albern“ genannt und die Nationalliberale Partei zur Desavouierung des Dr. Krause in aller Form unter Drohungen aufgefordert. „Wenn der Abgeordnete Dr. Krause“, schreibt die „Deutsche Tageszeitung“, „seine Ausführungen im Namen und Auftrage der nationalliberalen Gesamtpartei gemacht hat, wenn er nicht aus den Reihen der Partei deutliche und kräftige Entgegnung findet, dann wird es der Leitung des Bundes der Landwirte schlechterdings unmöglich gemacht, einen Kandidaten irgendwo zu unterstützen, der sich zur Nationalliberalen Partei bekennt. Die Nationalliberalen müßten selbst auf jede Unterstützung einer Bewegung verzichten, die sie als demagogisch und als staatsgefährlich zu bezeichnen die Kühnheit haben. Die agrarischen Mitglieder der Nationalliberalen Partei werden nicht umhinkönnen, aufs deutlichste und aufs schärfste eine Grenzlinie zwischen sich und dem Abgeordneten Krause zu ziehen. Geschieht das nicht, dann gebietet die Pflicht der Selbstachtung dem Bunde der Landwirte, seinerseits die Konsequenzen zu ziehen.“

Damit nicht genug. Auf der am 14. d. M. in Meisenheim abgehaltenen Versammlung des Bundes der Landwirte, in der der Referent, Reichstagsabgeordneter Lucke, gleichfalls auf den nationalliberalen Verrat zu sprechen kam, wurde die Drohung noch schärfer ausgesprochen. „Wenn allerdings“, sagte Herr Lucke, „die Auffassung vorherrschend sein sollte bei den Herren, daß man zwar bei den Wahlen sehr viel versprechen darf, aber sich nachher den Kopf nicht darüber zu zerbrechen braucht, wie man das auch halten will, dann werden wir bei den nächsten Wahlen eine gründliche Revision halten müssen über diejenigen Herren, die zwar gern versprechen, aber das Halten nicht gewöhnt sind.“

Zum Schluß wies der Referent des Bundes unter Heiterkeit der Versammlung auf den – vielleicht zufälligen – Umstand hin, daß Dr. Sattler, derjenige Abgeordnete, der vor Weihnachten namens der Nationalliberalen Partei dem Reichskanzler das Vertrauensvotum ausgebracht habe, am 9. Januar zum Geheimen Rat ernannt worden sei.

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