Rosa Luxemburg Werke [RLW], Berlin 1970ff., Bd. 1.1, 8., überarbeitete Auflage, Karl Dietz Verlag Berlin 2007, S. 655

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An diesem Block zersplitterte das sozialistische Lager in der Boulanger-Affäre. Die einen opferten das Endziel der Tagespolitik und folgten, wie Ernest Roche, Granger, Breuillé, dem „revisionistischen“ General in sein aus Klerikalen, Bonapartisten, Radikalen gemischtes Lager oder unterstützten, wie Brousse, Allemane, Joffrin, das gegnerische Lager der Ferry, Constans und der opportunistischen Bourgeoisie. Die anderen, Guesdisten und Blanquisten, opferten, um den Klassenstandpunkt zu wahren, umgekehrt die Tagespolitik dem sozialistischen Endziel und gaben die Losung: Weder Boulanger noch Constans, sondern soziale Republik! aus, d. h., sie stellten dem politischen Zwist innerhalb der Bourgeoisie die politische Enthaltung der Arbeiterklasse entgegen. So hatte die erste große Krise der Republik noch nicht zur Zusammenfassung der sozialistischen Kräfte, sondern im Gegenteil zu noch größerer Zersplitterung, nicht zur selbständigen Politik des Proletariats, sondern zu seiner Unterordnung unter die bürgerlichen Parteien oder zur politischen Abstinenz geführt.

Die Verantwortlichkeit für die Führung der Opposition trug freilich eingangs der 90er Jahre noch nicht das Proletariat, sondern das radikale Kleinbürgertum. Der Radikalismus spielte sich noch auf als der berufene Retter der Demokratie, als der Vertreter des „Volkes“ und seiner Interessen. Aber gerade die Boulanger-Krise hat den Radikalismus das Leben gekostet. Das Kabinett Bourgeois fünf Jahre später war die letzte Probe seiner Lebensfähigkeit, mit dem Bankrott des Ministeriums im Frühling 1896 brach auch der Radikalismus endgültig zusammen. Die politische Rolle des Kleinbürgertums in Frankreich war ausgespielt, die Reihe kam an die Arbeiterklasse. In jeder revolutionären Regung der Vergangenheit treue Stütze des Kleinbürgertums, von der Februarrevolution bis zum Kabinett Bourgeois, sollte das Proletariat nun das Heft der Demokratie in die eigene Hand nehmen.

Die erste Feuerprobe ließ nicht auf sich warten. Es war die Dreyfus-Affäre. Hier ließ sich aber die Unzulänglichkeit der sozialistischen Zersplitterung noch empfindlicher fühlen als zehn Jahre vorher. Nicht nur kann eine große einmütige und kräftige Aktion des Proletariats von mehreren losen Einzelorganisationen mit verschiedener Taktik und verschiedenem Einfluß unmöglich eingeleitet und geleitet werden, diese Einzelparteien erweisen sich sogar direkt als feindlich großen politischen Massenbewegungen gegenüber.

Die Boulanger-Krise hat ihnen nämlich eine Lehre in deutlicher Weise beigebracht. Sie hat gezeigt, daß unter Umständen die Organisationen der Massen nicht Herr zu werden vermögen, daß ihnen die Massen vielmehr

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